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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Händen zu greifende Sinnfülle dieser Tempel zu Paestum . . .«
    »Ja – haben Sie denn die alte Verrückte tatsächlich gesehen?«
    Das Erstaunen drohte Goethen aus dem Wagen zu schleudern; so gut las dieser Bursche? Zum Teufel! »Man braucht dann,« setzte er mit geheimem Lächeln fort und breitete dabei heilig den Blick auf die Korvette, die mit prallen Segeln und Kurs nach dem Süden mitten drin stand in der Woge des Meeres, »nicht noch die Athene Lemnia des Phidias zu sehen, um vor ihnen anbetend niederzufallen, – die doch nur die Vorstufe zu solcher Vollendung gewesen sind! – und um sich daran aufzurichten, daß die Welt doch noch immer ein Wunder kennt, . . .«
    »Griechenland? Hellas?«
    » . . . mit dem zu jeder Zeit wieder der Unsinn des Chaos in den Sinn der Entwicklung kann gebannt werden: die schaffende Arbeit des Genius! Sagen Sie mir, kennen Sie die Geschichte vom Torquato Tasso?«
    »N – nein.«
    »Die der Nausikaa? Des Odysseus und der Nausikaa?«
    In die Erde versunken wäre Kniep am liebsten. »Auch nicht.«
    »Aber eines können Sie mir doch gewiß sagen?« Und ein Blitz, hinreißend unwiderleglich wie der messerscharfe Spruch eines Gottesurteils, schoß aus dem ganz und gar entblößten Auge in das furchtsam verzagte. »Was wären Sie lieber: ein Künstler, der sich in eine Prinzessin verliebt, – oder ein schiffbrüchiger König, in den sich eine Prinzessin verliebt? Hm?«
    Wie von Tönen verschleppt, die er nicht verstand, überwinkt von nur fühlbaren Zeichen von Rätseln, Fügungen, Wandlungen, die an ihn nicht rührten, starrte Kniep ihn an.
    »Sie halten mich für verrückt, wie ich sehe?« lachte Goethe aus der Demut der Brust in den Vollglanz der Sonne. »Und doch war ich's in keinem Augenblick meines Lebens weniger als in diesem. Ich habe nur nicht gewußt, . . .«
    »Mein Gott!« Mit hilflosen Armen fuhr Kniep auf. »Ich habe ja auch nicht gewußt!«
    » . . . daß mir erst eine pazza zu Paestum das Nichts zeigen müßte und meine ganze Erbärmlichkeit, damit ich endlich heimfinde in mein eigenes Reich. Schauen Sie doch, wie es sich sehnt! Sich entgegenbiegt! Von der Erde fortwindet, das Schiff!« Und die ganze rasende Sehnsucht des Schiffes: hinaus, in die Weite! und das ganze trunkene Armeausbreiten des Meers, diese ganze Strahlwut der Sonne, die über ihn ausgoß die ganze Wonne ihres Mittelpunktseins in den Räumen der Welt, funkelten aus dem neugeborenen Auge. »Wenn einmal jeder Boden zurückbleibt, die letzte Haft dem Fuß schwindet und der Leib verlassen schwebt zwischen dem Schaukeln des Himmels und dem Schaukeln der Wasser . . .«
    »Ist dann dort dieses Reich?«
    Zärtlich nahm der Erschütterte die bang fragende Hand in die seine. »Keine Angst, mein Kind! Ich weiß schon. Verstehe. Er braucht nichts zu fürchten. Ohne Abschied fahren wir nicht! In acht Tagen erst geht die nächste Korvette. Und wir bleiben nicht allzulang. Und damit er's nach der Heimkehr recht wohnlich finde, zu Hause, beim Schätzchen, . . .«
    »O, Herr Geheimerat!« Aus einem Vesuv voll Scham sprang's heraus. »Nicht deshalb!«
    »Sei er nur still! Ich habe mir's eben jetzt ausgedacht: noch bevor ich ausfahre, um Nausikaa zu suchen, kaufe ich dem Schätzchen und Kniepen zwei Betten. Eiserne! Feste! – Kein Wort mehr!«

Siebentes Buch
    Zeichen
    Aber, wo blieb Nausikaa? Das Meer war durchschifft worden, Tasso, auf dem Meere, erlebt wie das klarste Bewußtsein der neugeborenen Brust, – und hier wuchs die Urpflanze! Der schmale Homer kehrte verstimmt vor diesem ersten ganzen Bewußtsein: Welt, aus der glücklichen Hand in die Tasche zurück. Denn: hier war sie wahrhaftig, die ganze, zum erstenmal völlige Welt! Himmelhoch ragten die Bäume aus den Dehnungen der Rasen und den Wölbungen der Boskette des Gartens. Alle Familien, Arten, Gattungen und Geschlechter der Bäume, Sträucher und Blumen des Paradieses, vom niedrigen rosenroten Steinbrech an, der auf Adams Ruhefelsen gewachsen war, bis zur Mammutkiefer, darunter die Löwen geschlafen hatten, standen vereint, wie sich Männer, Weiber und Kinder aus allen Völkern der Erde zum Abbild vom Volke der Menschheit zusammenstellen könnten, zwischen den Mauern des Gartens. Beglühte Häuser von Palermo, beschattete Häuser von Palermo, ein ziegelrotes arabisches Tor, sarazenische Fensterbögen und schleirige Zinnen schauten darüber herein, und die glockenblumenblaue Kahlheit des Monte Pellegrino unter der Windung seines

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