Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
Vom Netzwerk:
daß das Mädchen noch tiefer herab in die Wiese schritt, die Begleiterinnen zögernd ihr folgten. Die erste war klein und dick; richtige Bäuerin. Die zweite hager und lang; richtige alte Jungfer. Die dritte ein Mütterchen mit Grauhaar. »Kommt nur!« klatschte das Mädchen, als die drei scheu abwarteten, in die Hände und tat so, als habe es den steinernen Mann nicht gesehen, »es ist nichts!«
    Aber nun geschah das Zweite: als die Frauen, den Karren mit dem Maultier endlich herabgeholt, schon in geordnetem Zuge zum Wäschewaschen an das Ufer heranstrebten, streikte plötzlich das Maultier. » Che canaglia, 'sto Geromino! « fluchte kräftig das Mütterchen mit dem Grauhaar und hieb mit ungeschlachtem Grabscheit auf den mageren Rücken. Das Tier rührte sich nicht. Nun waren zwar in dem Korbe weder Talente des schöngearbeiteten Goldes, noch Steine zum Bau eines Tempels für Hermes, noch Rücken vom weißzahnichten Schweine; sondern Berge von schmutziger Wäsche. Dennoch reichte die vereinte Leidenschaft der vier Frauen nicht hin, um den Karren gegen die Bosheit des Tieres vom Flecke zu rücken. Sechsmal mit »Hüh« und »Hoh« versuchten sie vergeblich, es zum Gehorsam zu locken. Als sie's zum siebentenmal, schon sehr mutlos, angingen, trat der Fremdling entschlossen hervor. »Erlauben Sie!« sagte er einfach. »Hie und da ist es notwendig, daß ein Mann komme.« Nahm den Zügel des Tieres, sagte wie ein Väterchen zu einem Kindchen: »Geromino, Liebling meiner heiligen Freundin zu Paestum, zieh an!« und das Tier zog.
    Staunen in den Mienen der Frauen. Verlegenes Lächeln. Aber warum blieb das Mädchen nun stehen und ließ die Mägde allein schreiten hinter dem rollenden Karren?
    »Ein ganz feiner Mann!« sagte so laut, daß der Fremdling es hörte, die dicke Bäuerin zur hageren Jungfer in Eile.
    »Sie hat ihm aber,« antwortete, auch eilend und ebenso laut, die Jungfer der Dicken, »beim ersten Blick schon Augen gemacht wie . . .«
    Windhauch, plötzlicher, daß die Wiese aufseufzte und der Oreto aufblitzte, vom Meer herein!
    »Ihr kommt von der Stadt heraus?«
    Nur um eines Windhauchs Streicheln bewegte sich die Gestalt des Mädchens. Die Kutte aus weißem Leinen, rot gegürtet und rot an den Säumen gebortet, nur von eines Windhauchs mildem Geflüster erfaßt flüsterte sie. Aber das Haupt? Nein, ich hebe mich nicht! schienen die ungeküßten Lippen, fest zusammengepreßt, zu schwören. Da – erhob es sich. Purpurrot in derselben Sekunde: Auge hatte Auge getroffen. »Nein! Ich komme vom Berge her; vom Landhaus des Oheims.«
    »Aber in der Stadt sind Sie zu Hause?«
    »Nein. Ich bin hier zu Gaste. Zu Hause in Girgenti. Oder besser . . .«
    »Oder besser?« Blitzschnell einen Schritt trat er näher.
    »In Taormina.« Aus dem flammenden Purpur hervor wie die Unschuld ersten Geständnisses lockte das Lachen der Zähne. »Oder noch besser . . . .«
    »Oder noch besser?« Rasch den zweiten Schritt näher!
    »In Taormina und Girgenti.« Wie eine Faust aber packte den Nacken die Scham jetzt. In unbeholfener Jähheit herniedergebeugt, rupfte die Jungfrau Halm um Halm aus dem Boden. »Und Sie?«
    Aber er, – in diesem Klang hörte er anderen Klang. Unheimlich beglückend wallte es um ihn herum gleitend von Düften, Worten und Zeichen ohne Ende und Einheit. Wie eine unerschöpfliche Blume, von Minute zu Minute tauender Glänzen und Wunder, öffnete über ihm sich der Himmel. Ins Ungemessene an Goldhelle und klarster Zeichnung schwoll um seine Füße die Breitung des Landes. Als ob es eilfertig, weil so Himmel und Erde sich im Enthüllen übereilten, aus den Ozeanen der Vergangenheit und von ihren versunkenen Küsten die alten Wellen wieder hervorholte und mit ihrem Wallen auch die verstummten Atem der gestorbenen Leben, immer blauer und reicher und näher rollte das Meer. »Nein,« sagte er plötzlich, ließ sich ins Gras nieder und gab mit dem nachziehenden Blick keine Ruhe, bis auch sie sich gezogen niedergelassen hatte; »erzählen Sie mir! Was Sie wollen! Was Ihnen einfällt!« Wie? Und sie sprach schon? Nein! Hilflos lächelte er. Aber dieses Flirren der Lüfte war nicht Traum! Blendend floß die Sonne aus dem Quell ihres feuerroten Reichtums. Die Blumen wiegten sich geschaukelt im Liebkosen der Lüfte. Sanfteren Donner von Herzschlag zu Herzschlag tönte das Meer. Und die Mägde da unten, daß es unüberhörbar heraufschallte, peitschten den Oreto mit der Wäsche! Und Nausikaa vor seinem ratlosen

Weitere Kostenlose Bücher