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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Menschenherzens nicht um ein Seufzerchen verändert hatten! Genau wie ein Anderer – »Odysseus!« flüsterte er inbrünstig bruderhaft hinein in den unveränderten Leib der Insel – genau wie dieser Andere war er bei den Lästrygonen und Lotophagen gelandet. Des Aiolos Winde hatte auch er mitbekommen. Bei der süßen Kirke verweilte auch er, und sieben – nein, elf! – Jahre bei der furchtbaren Göttin Kalypso! Nahe wie diese Orchis seinen lebendigen Fingern, tausendmal schon, war ihm die Heimat gewesen. Tausendmal wieder dann, je einen gemeinen Augenblick später nur, ferne wie der Hades seinem gierigen Leben. Zwischen diesen neckenden Blitzsekunden aber: die Ketten der Finsternisse und die Perlen der Hellen. Zuletzt der Stieg in die Unterwelt, – »ja, Vater! Cornelia! Alle, die ihr von Anfang an teil hattet an diesem Leibe und Leben!« – und die taumelnde Todesfahrt durch Charybdis und Skylla! Und jetzt? Auf Scheria gelandet! Wahrhaftig gelandet? Für immer? Keine Woge, keine Rache, kein Götterhaß mehr, die wieder wegspülen vom Neste? »Ich suche meine Heimat,« sagte er leise, die Stimme zitterte ihm, »mein eigenes Land, meinen Teil an der Erde. Und konnte ihn bisher noch nicht – ganz finden.«
    Hatte sie je jemanden so reden gehört? Als ob Rausch in ihr Herz fiele, begann es zu schlagen. »Wie . . . meinen Sie das?«
    »Verschlagen von einer Küste zur anderen seit Jahren!« setzte er ruhig fort, mit allen Segeln seines Schiffs mitten drinnen im Märchen; »von einem Sieg zur andern Niederlage, von einer lockenden Fremde zur anderen wegstoßenden Nähe. Und nirgends ist Heimat!«
    »Was ist Heimat?«
    »Wo man bleiben muß.«
    »Wenn man nicht darf?«
    »Man darf, weil man muß, und umgekehrt!«
    »Und hier . . .« – die rasende Begier, die Sprache dieser ersten Seele zu erraten, die ihr begegnete, beugte ihr Antlitz ihm brennend entgegen – »hier hoffen Sie, die Heimat zu finden?«
    »So ist es nicht!« Er lachte. Ja, Mädchen, sprach der Geist in der hurtigen Antwort, nun zeige, ob du lilienarmig nur bist, oder tiefherzig auch! »Was den Boden betrifft, darauf meine Heimat sein könnte, ist mir die ganze Welt Heimat. Aber . . . .«
    »Ein Herz, meinen Sie?«
    Hatte er jemals – göttlich erstrahlte sein Blick– im Aug eines Weibes so unschuldig verraten die Sehnsucht nach Liebe aufflammen gesehen? »Auch mit der Heimat in einem anderen Herzen wäre es nun nicht mehr genug! Denn ich bin achtunddreißig. Aber« – zärtlich besorgt lenkte er ab, Enttäuschung wie Schatten war über die Stirne der Jungfrau gefallen – »nehmen wir Sie! Was für eine Heimat sehnt Ihre Brust?«
    Zögernd, gesenkten Auges, während der Busen tobte: »Ich – habe meine Heimat.«
    »Die Ihnen nicht genügt!«
    »Zwei Herzen, in denen sie ist!«
    »Die Ihnen nicht genügen!«
    »Vielleicht kommt einmal ein drittes?«
    »Auf einem Schiffe?«
    Ah, blitzte es gottanbetend durch ihre Züge, die von Sekunde zu Sekunde schöner wurden, weil sie zum erstenmal das Leben erfuhren, also sind wir Menschen doch nicht einzig dazu geschaffen, um ewig nur Fremde voreinander zu spielen! »Es muß nicht gerade ein Schiff sein, auf dem es daherkommt! Wenn es nur kommt!«
    »Und wenn es nicht kommt?«
    »Dann – muß ich den Magistratskommissär oder den Buchhalter heiraten!« Im selben Augenblick, genau so jäh wie das erstemal, sprang sie empor; über den Rasen herab kam ein schaukelndes Kleid getänzelt. »Es kommt meine Base! Leben Sie wohl. Ich muß gehen!«
    »Ich muß Sie wiedersehen!«
    »Nein!« Obwohl über dem schaukelnden Kleide das gefürchtete Antlitz schon auftauchte, tat sie einen Schritt wie befohlen zurück. »Ich gehe schon in den nächsten Tagen nach Girgenti zurück!«
    »Ich komme auch nach Girgenti!«
    »Ich wünsche Ihnen, daß Sie finden, was Sie suchen!« stieß sie zitternd hervor. »Menschen scheinen es Ihnen nicht geben zu können.«
    Er wußte nicht, warum er aus dem Gras nicht emporkam. »Nicht zu geben,« antwortete er, ohne sich zu wehren gegen die Wolke von süßer Betäubung, »aber wohl zu bestätigen, ob ich's fand oder nicht. Ich werde Sie besuchen in Girgenti!«
    Feuerrot wies das ratlose Haupt ab. »Gioconda!« rief es überlaut dem Puppengesicht entgegen, das wie blind auf dem theaterhaft bunten Kleid über die Wiese herabschwebte. »Da bin ich!« Und blieb trotzdem noch wie angewurzelt stehen. »Sie werden nicht kommen!«
    »Palazzo Friglia. Ich werde kommen!«
    »Sie werden

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