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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Auge . . .
    Nausikaa sprach nun! Vielleicht sprach sie schon lange und er hatte es nur nicht gehört? Schmal war die erste Antwort gewesen. »Darf ich weiter fragen?« hatte er auf einmal, wie erwacht, gefragt. »Gerne!« das schöne Köpfchen genickt; hatte es noch niemals geredet? Und nun, während die Antworten wuchsen, ruhte die rechte Hand in den Blumen der Erde. Der linke Arm schrieb in der Luft. Das Köpfchen, nur um das Streicheln eines Windhauchs dem Blicke des Fragers vorübergewendet, hatte den Purpur der Scheu vergessen, die Gestalt die Schranke der Fremdheit. Nicht, die du träumst, bin ich, schien die Jungfrau, die ihr weltblindes Leben immer freudiger vor ihm enthüllte, den atemlos lauschenden Blick zu warnen, sondern ein gewöhnliches Mädchen vom Lande. Ja! erwiderte der Blick, ohne sich zu heben, zu senken vor ihr, aber: Nausikaa, die in Qualen Gesuchte! »Weiter! Nur weiter!« – »Vom Oheim?« lachte sie aus dem kindlichsten Herzen. – »Vom Oheim!« – »Von zu Hause?« – »Von zu Hause!« – Der Oheim – hoch in das Blaue hob sich das Köpfchen, schüttelte sich trotzig – der Oheim sei Witwer, habe zwei Töchter und einen Sohn. Der Sohn stelle ihr nach. Sie dulde aber nicht, daß ihr nachgestellt werde! »Aber auch sonst, überhaupt, – ich bin nicht leicht zu behandeln!« Zwar könne sie schöner im Rahmen sticken als die Basen und besser rechnen als der Vetter, der zu herrenhaft faul sei für des Oheims große Wirtschaft. Aber sie fühle sich dennoch klein und dumm; provinzhaft allen Vieren gegenüber. In Girgenti hinwiederum: da wohne sie in einem schönen Hause, Palazzo Friglia heiße es, in der Höhe auf dem Felsen über dem Meer. »Wie gesagt, ein Palast! Aber immer dasselbe, tagaus, tagein: aufstehen, das Haus besorgen, mit Vater und Mutter essen, mit Vater und Mutter zur Kirche, in den Garten hinab, – schlafen gehen! Undankbar, nicht wahr, bin ich? Denn sie lieben mich sehr, Vater und Mutter! Aber . . .«
    »Kommen Schiffe vorbei?«
    Als müßte sie sich schämen darüber, daß so selten ein Schiff Girgenti anlaufe, ward sie rot. »Alle Jahre eines!« Dieses war das Lächeln der Seele, die sich heimatüberdrüssig vorstellte, überall außerhalb des Rests, worin sie zu Hause, pulse das Leben in Agonen und Hymnen. Ungefähr jeden vierten Monat gehe sie von Girgenti mit dem Vater nach Taormina. Er habe dort eine Niederlassung seines Handels für die östliche Insel. Kaum angelangt in Taormina nun, sehne sie sich zurück nach dem Fenster überm Meer. Kaum aber wieder zu Hause und die Liebe der Mutter wieder gesehen, die Liebe des Vaters, dieses ewig ausschließliche Denken der beiden an die Zukunft der Tochter . . .
    Einen Schaft riß sie aus dem Boden, zerriß ihn in kleine, knisternde Fasern. »Überall also, eigentlich, bin ich fremd! Und am Ende werde ich doch den Magistratskommissär oder den Buchhalter heiraten!« Rasch sprang sie empor. »Zita,« rief sie, wie um das zu schnell Verratene absichtlich laut zu vernichten, in die Mägde hinab, »wie lange wollt ihr noch schwätzen? Des Oheims Hemden werden grau bleiben und die Miederchen der Basen schwarz. In Miracolo nämlich,« lachte sie lustig schon wieder dem Fremdling gegenüber im Grase, »– Miracolo heißt das Gut des Oheims – in Miracolo wäscht man sich nicht gerne.« Aber schnell darauf, weil nun stürmisch die Widerrede der Mägde heraufklang, die Lichter der Wäsche gegen Sonnenschein und Wellenglanz protzig heraufblinkten, fragte sie unwiderstehlich: »Und wo sind Sie zu Hause?«
    »Weit fort.«
    »Und wozu kamen Sie hierher?«
    »Ich bin gar nicht gekommen, ich bin getrieben worden.«
    »Durch einen Sturm? Durch die Korsaren? Oder durch den König?«
    Der Länge nach legte er sich ins Gras zurück. O, unsäglich süß, jetzt, nachdem die Heimat gefunden, alle Schmerzen und Kämpfe der Suche nach ihr in klarer Reihenfolge noch einmal zu leiden! In Brisen warf der finsterblaue Nord die Gerüche des Meeres herüber. Zitternde Säulen schwerträchtigen Dampfes stieß die Erde aus dem Leib der Empfängnis. Die absichtlose Kunst des Schöpfers, aus nur vier Kräften, weil sie in seinem Busen daheim waren, Harmonie zu schaffen, schmeichelte ohne jede Überhebung sieghaft um die Gestalt dieser Kräfte. Wahrlich: es brauchte keines Zwangs auf den heimgefundenen Geist, um zu wissen, daß die Jahrtausende, die zwischen ihm und der ersten Gestalt dieser Insel verstrichen waren, die wesentlichen Schicksale des

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