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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Mutter noch näher zum Priester vor. »Nicht wahr, Tommasso?«
    »Fürwahr!« Unsicher lachte der Vater, zwiespältig schillerte sein Blick. »Ein außerordentlicher, – quasi seltsamer Abend!«
    »Also – quasi: Odysseus auf Scheria?« lachte noch kürzer Don Carlo. Aber kaum ausgesprochen das Wort, stutzte er: waren nicht das Mädchen, der Vater und der Fremde bei diesem Wort aufgefahren, als hätte ein Nadelstich ihren verborgensten Nerv berührt? »Es gibt nichts Schöneres im Leben,« sagte er mit welterfahren zurückflutender Stimme, »als: Überraschungen. Obwohl sie ebenso natürlich sind wie das Allernatürlichste. Ich möchte Ihnen raten,« blitzte er den Fremden mit grimmigem Blick an, »die Städte in diesem Lande zu lassen. Sie sind Ruinen, aus denen niemals mehr neues Leben springen wird. Traurige Zeichen davon, daß das Gewordene nicht überall Fortsetzung findet. Der Geist, der vor alters hier lebendig war, ist lange schon in eine andere Welt geflohen!«
    »Ich will« fiel der Fremde gewandt ein – dieses Gespräch behagte ihm nicht – »von hier aus mitten durch die Insel nach Catania.«
    »Gut! Sehr gut! Und von Catania bald wieder nordöstlich hinaus! Denn: Natur, – ja, die ist hier! Aber Geist ist im Norden! Ja, bei Gott Vater!« Und mit leidenschaftlicher Gebärde rückte er den Thronsessel mit den metallbeschlagenen Armstangen, riß das Käppchen vom Haupte und reckte das nun doppelt leidenschaftliche Haupt. »Dieses Syrakus zum Beispiel! Dieser Erzbischof in seinem steinverschlagenen Hause! Die Glut dieser Landschaft – oder Seeschaft – und die Agonie der Gehirne und Seelen in den dahindämmernden Menschen! Ich begreife es,« – wie ein Sänger war er nun anzusehen, der, die Leier vor der Brust, dieser Brust Überdrang wie seinen wildesten Glauben heraussang – »wie man im Norden oben bis zur Verzweiflung sich sehnen muß nach der Sonne, nach einem Orangenbaum, einer Handvoll Glanzhimmel. Aber noch besser verstehe ich, wie die nordische Seele unter diesem Übermaß von Natur zurücklechzen muß nach der Heimat! Nach dem Hauch jenes Geistes, der im Norden die Welt, wie sie ist und nicht ist, den begierigen Köpfen – ich kann es nicht anders sagen! – vor die Füße wirft. Was ist sie mir denn, diese Welt, wenn ich sie nicht sehen, nicht hören, nicht fühlen, nicht wissen, – nicht beherrschen kann? Griechischer Geist, hier? Schaut Euch die Tempel an, wie sie von Greisen oder Kindern begafft werden, die das A nicht vom O unterscheiden können! Die Wucher der Ernte, die in der Verlotterung des Südens, – ja!« Jäh beugte er sich dem Vater, der Mutter, den gestachelt kauernden Philistern entgegen. »Der Süden trübt die Sinne! Gefressen, unter der Wut dieses Klimas, wird die Ernte; aber verdaut nicht! Und heißt: Rasse haben, etwa soviel als: begehren bis zum Haß, hassen bis zum Mord, in dieser Sekunde noch lächeln wie der agnus dei, und in der nächsten – das Messer? Oder heißt es vielmehr: die Wunder der Welt, wie sie von Anfang an wurde, in fruchtbaren Bildern im Gemüte drin sammeln, im Geiste erobern und an ihre Plätze stellen, damit sich so in der verständigen Kreatur der Sockel aufbaue, auf dem sich die neuen der Zukunft erheben? Augenblicke sieht man hier, – Zeiten dort! Orte hier, – Erdteile dort! Ich war verpflichtet, sehr oft ein kleines Herzogtum im mittleren Deutschland zu bereisen; es war da ein Mann, mit dem ich wichtig zu tun hatte. Ein Herzogtümchen . . .«
    Ohne ihn nur für ein Wimperzucken aus der Gewalt seines fanatischen Auges zu lassen, zwang er den Fremden, ob er sich auch schon drehte und wand, unbarmherzig in die Zange seiner teuflischen Rede. »Herzogtümchen voll von armseligen Städtchen, Märkten, Dörfern; besser gesagt: Hütten, Bauernhöfen und lächerlich kleinen, unschönen Schatullen, die sie Schlösser nennen. Der Himmel drüber – brr! Die Rosen blühen im Juli, und werden so hoch!« Fast um stieß er den arabischen Kaffeetisch. »Gerste, Roggen, Rübe, Hafer auf den elenden Feldern. Nichts, was entzückte; die Sinne, die Phantasie riefe! Alltag, wie ihn die sizilianische Hölle sich nicht trostloser vorstellt. Das Wort hart, ohne Klang. Die Manieren schroff; ohne Grazie. Lieder? Ich habe keines gehört. Die Mienen verschlossen, die Bewegungen eckig . . . O!« Mit einem erschrockenen Ruck beugte er sich weit vor zum Fremdling, der plötzlich sein Gesicht in den Händen verborgen hatte. »Ich tue Ihnen weh? Ich verletze

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