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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Segelaufziehen hören sie nicht! Ahnen den Blitz nicht vor, der morgen schon – tolle Zerschmettererlust! – niederfahren wird, um die Fäulnis in Brand zu stecken und die verlotterte Erde auszuglühen zur Reinheit ihrer heiligsten Neufrucht. »O, du Leben, du Leben!« jauchzte schwebend im Überlicht dieser seligen Voraussicht die gebärende Seele; »du Wirken vor meinem entschleierten Auge! Ernte der erlittenen Reife! Und daß diese Heimat schon da liegt, schon greifbar vor meinen Händen lockt, und daß dieses kräftige Ineinander von Stimmen schon die Planke zimmert, die mich hinübertragen wird von dem Schiff auf die Erde,« – stolz strahlte der Blick über dem eilig bekritzelten Blättchen – »weiß nur ein Mensch! Nur der Mensch, der mir's schuf! Die steht jetzt im Fenster, sieht das Schiff auf der ungeduldigen Woge, hört die Reiselust der Phäaken, und mischt sich im Becher der Brust schon die Todesqual ihrer Liebe! Und wenn nun Penelope« – mit schaudernder Hand griff er empor in den Zweig voller Frucht und voll Blüte – »wenn Penelope erkaltet, veraltet ist in der Fülle der trennenden Jahre, ohne Verständnis für den Sinn meiner Irrfahrt und den Sinn meiner Heimkehr? Und Telemach, wenn er mich nicht mehr erkennt, weil er einen anderen Vater fand in der Fülle der trennenden Jahre? Und die Heimat, die klüftige, felsige, schroffe und rauhe, mich mit starrem Gesicht wird empfangen, darin nicht mein Funke flammt, sondern die Dämmerung der lieblosen Pflicht? Und, hingegen, Nausikaa« – ohnmächtig aus dem Netz der mordenden Zweifel fiel ihm die Hand zurück – »Nausikaa liebt mich und lockt: du bist mir bestimmt! Mir allein! – Du!!« Verzweifelt bäumte der Leib sich empor, schrie die Qual in die vorspiegelnden Lüfte: »Nausikaa! Geliebte! Gesehnte!«
    »Da bin ich.«
    Kein Trug! Groß, schlank, hell vom Scheitel bis zu den Sohlen, stand sie vor ihm. Lächelnd im Feuer des Geständnisses ihrer allmächtigen Liebe. »Du hast mich gerufen?«
    Taumelnd wich er zurück. Ithakas Felsen und Nebel riefen von weitem herüber: Folge ihr nicht! Penelopes Pein lohte ihm aus der tobenden Brust entgegen, die er vor abgelebten Zeiten die einzige genannt hatte, die ihn erriet, und beschwor: Folge ihr nicht! Inbrünstig klammerte sich Telemachs Arm um seinen Nacken und bettelnd flehte das blondlockige Häuptchen: Vater, folge ihr nicht!
    »Wovor fürchtest du dich?« lächelte Nausikaa sanft, als er mit gehetztem, fast feigem Schritte noch tiefer in den Garten zurückfloh.
    Rasch drehte er um. Das Bleich ungeheuren Erlebens auf der glattgespannten Stirn. Ungeheure Bangnis im Blick, der der Jungfrau griechischen Peplos, den griechischen Knoten des schwerschwarzen Haares, die königliche Rast ihres Antlitzes über dem gebändigten Rasen der Brust bebend empfing. Die volle Tiefe des Meeres lag blau in ihrem Auge. Die Weite der opalenen Himmel furchtlos um ihre Glieder. Vom Tragen von Blumen strahlten ihre Hände, und die glühenden Gärten ihres Vaters schaukelten um ihren Schritt. »Ja,« antwortete er ohne Ton, »ich gestehe es: ich fürchte mich!« Angst im Worte. Wehmut, unsäglicher Schmerz in der zagen Gestalt. So also erschaffen die Götter den Dichter? Was ist Wahrheit? Was Dichtung? Daß er das Nest gefunden, sich selber als den Dichter entdeckt, diese sieghafte Entdeckung sogleich ausgewirkt hatte, – das war ihm bis vor einer Minute Nausikaa gewesen! Daß Nausikaa an diesem Siege zugrundeging, – gab es ein Hinauf ohne Hinab? Jetzt aber – zu zittern er begann: ist dem Dichter bestimmt, niemals, niemals zu ruhen, selbst im sprudelnden Sang von dem eigenen Sieg nur die Qual zu gebären? – jetzt war das Trauerspiel der phäakischen Jungfrau zum traurigen Spiel seines Abschieds von Phäa geworden!
    »Wie hast du mich gefunden?« stieß er endlich gepeinigt hervor.
    »Das Herz hat mich geführt.«
    »Es gibt eine Pflicht, die viel größer ist als jedes Anrecht des Herzens! Als jedes!«
    »Für mich keine andere, als dich zu halten!«
    Wonne und Entsetzen zugleich im Auge, starrte er sie an. Wie entfliehen? Wie sich losretten können von solcher Gewalt? »So redet – kein Mädchen!«
    Ohne die geringste Scham ließ sie sich nieder ins Gras. Zog ihn, der trotz allem Kampf nicht zu widerstehen vermochte, ihr nach und lehnte sich, als zwinge sie dazu das einzige Gebot ihres Gottes, an ihn. »Das ist die Frage. Und ich verneine sie! Denn ich habe noch niemals so geredet und werde niemals wieder so

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