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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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reden. Auch verfolge ich nicht damit die Absicht, dich zu bestimmen.« Leib an Leib lehnte sie nun; hoch pochte in den reglosen Gliedern der Puls. »Alle geheimen Helfershelfer, aber auch alle geheimen Feinde der Liebe kenne ich, seitdem ich zum erstenmal dich sah. Was aber die Freiheit hindert, Joch anlegt, nicht den Mut hat, sich hinzuschenken ohne die Gewißheit, genommen zu werden, ist der Todfeind der Liebe! Weil ich das weiß nun, rede ich frei. Ob ich dir gesendet bin, oder nicht, du allein mußt es wissen. Daß du mir gesendet bist,« – ein einziger Blick gab ihm den Himmel zurück, den er ihr aufgetan hatte – »das fühle ich, wie ich fühle, daß ich bin! Und dies Gefühl habe ich bekannt. Der Palazzo Friglia weiß es. Don Carlo weiß es. Ganz Girgenti weiß es. Und nun schütteln sie ratlos die Köpfe. Das ganze Gebäude ihres Begreifens ist eingestürzt. Ich habe es niedergerissen. Und ich baue es ihnen niemals mehr auf! Mein bisheriges Leben ist Schlaf gewesen. Jetzt bin ich erwacht. Du hast mich geweckt. Und nun gibt es für mich nur noch das eine oder andere: Wachbleiben – oder Sterben!«
    »Man stirbt nicht,« fuhr er sie herrisch an, »weil das Herz seinen Willen nicht durchsetzt!«
    »Ich drohe nicht. Es ist wunderschön, dein gewesen zu sein!«
    »Ich habe dich nicht genommen!«
    »Ich sagte das nur von mir her,« lächelte sie ihr furchtloses Lächeln. »Und ich ahne, daß Glück nichts ist, was dauern kann!«
    Aufrichten wollte er sich; mit aller Gewalt von ihr reißen. Aber ihre Hand, die ihn hielt, war so kindlich unschuldig, und das Auge, das ihn bannte, so voll Glauben und Glanz, daß er sich nicht zu lösen vermochte. »Ich habe dich zweimal geküßt!« stöhnte er in der bittersten Not. »Dich nicht von mir gestoßen, nicht gewarnt vor dem Feuer dieses Kusses! Weil du das Sinnbild meiner Erlösung geworden warst, die Sonne im endlichen Zenith meines Lebens! Und ich war doch Odysseus, der nicht bleiben darf, weil ihn ein ganzes Vaterland erwartet zu Hause! Und entschuldigte mein böses Gewissen vor mir selber mit der trunkenen Freude über das Wunder der Sendung, mit dem großmütigen Wort deines Vaters, – und dir! Und nun ist sie doch da, die vollgemessene Strafe! Laß sie los, meine Hand!« Hart fuhr er auf. »Denn das wirst du nie fassen, nie zu begreifen imstande sein, wie ein Mann lieben – ach, anbeten muß, und dennoch heimkehren! Weil es ihn unwiderstehlich . . .«
    Blitzschnell machte sie sich frei von ihm. Kein Teil ihres brennenden Menschen noch berührte den seinigen. Und nicht wie das Weib den Mann, nein, wie der erweckte Mensch den erweckten Menschen blickte sie ihn an. »Hast du mich einmal, ein einzigesmal, einen einzigen Augenblick lang – sage! – geliebt?«
    Nacht wurde um ihn. Während das Herz raste im Wissen, ritt er im Geiste noch einmal, den Sieg in der Brust, im homerischen Auftakt von Palermo nach Girgenti. Von Girgenti, den Triumph des Geborenseins in jedem preisenden Blutstropfen, durch die Segen der Demeter nach Catania. Von Catania, im fiebrigen Drang der Menschenliebe, die Werk schafft, herüber nach Taormina. Und war jetzt, hier, in diesem Garten zu Taormina, nicht Goethe. sondern nur noch Goethes nie rastendes Herz!
    »Ja oder Nein?«
    »Ja!« antwortete er wie im Traume. »Alles andere wäre Lüge! Ich weiß nicht, warum der Mann meines Alters anders liebt als der Jüngling. Warum ich noch einmal lieben mußte wie der Jüngling, der glaubt, aber nicht weiß. Ich weiß nur: ich liebe dich, Nausikaa!«
    Weiß und starr wie der Marmor ist, ward Nausikaa.
    »Dennoch!« Und als ob ihn die Erde zornig ausspiee, sprang er auf. »Dennoch! Ich muß gehen! Und du darfst mich nicht halten! Nausikaa: du darfst mich nicht binden! Laß mich fliehen! Ich muß gehen!«
    Aber wie der Orkan, der aus der Mitte der unerträglich gespannten Himmel bricht, endlich und nun nicht mehr rückrufbar, brach die Gewißheit des Lebens nun aus dem Herzen Nausikaas. »Und wenn ich dir nur einen Traum eingegeben hätte,« flüsterte sie hingerissen an seiner bebenden Schulter, »nur die sehnsüchtige Wallung eines fliegenden Wunsches, – ich hätte dem Schicksal die Hände geküßt in unendlichem Dank und dich ziehen gelassen mit dem großen Bewußtsein, in diesem Wunsch, diesem Traum mich erfüllt zu haben auf ewig! So aber, weil es so ist,« – und von einem Lächeln ward sie überronnen, das ihr Leib und Seele zu fließendem Schimmer verklärte – »mußt du mir eine

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