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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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jetzt?«
    Als ob ihm ein Riese auf den Fuß getreten wäre, zuckte Goethe empor. » Tempora mutantur, « gab er stotternd zurück.
    » Nos autem mutamur in illis! « war die schlagfertige Antwort. »Als du neulich Abends aus der Iphigenie vorlasest . . .« – Karl August blieb stehen, schickte das Auge in den Himmel hinauf und ließ es darin festsitzen, als ob die goldene Bläue alle Bilder widerspiegelte, die eine plötzliche Erinnerung wachrief – »kam mir das gewaltig zum Bewußtsein. Was sind neun Jahre! Als ob es heut wäre, steht mir der Abend vor Augen, an dem ich den Pylades am Ettersberg spielte. Es war im April, um den zwanzigsten herum . . . .«
    »Den zwölften war's.«
    »Kalenderfuchs! April ist April! Und wir hatten damals beide noch wirklich April!« Derber noch lachte er. O, er sah es sehr wohl, wie den Mann neben ihm da der Name »Iphigenie« noch viel blutiger ritzte als der Name »Lavater« und der Frau von Steins; wie er das Gesicht verzog, Ameisen in die Glieder bekam, wie unter Felsen wild atmete, und ihn knirschend verfluchte und verwünschte. »Natürlich gefiel mir das Stück. Was gefiel mir denn nicht von dir? Aber von Verständnis war doch keine Spur da. Eine edle, humane, griechische Fabel in humanen, edlen Versen – von J. W. Goethe. Jetzt hingegen . . . .?« Stolz, ohne jeden Rückhalt von übertreffender Fürstlichkeit wandte sich der sprechende Blick Goethen zu. »Jetzt . . . dämmert es mir sehr beträchtlich, was da gewollt und erreicht ist. Weib und Frau, – welch unendlicher Unterschied! Ich habe noch immer – sei's geklagt! – für die Weiber viel übrig. Aber gerade die Unzufriedenheit mit mir selber darüber ist der stärkste Grund meiner Verehrung für die Frauen. – Was lachst du?«
    »Im Gegenteil!« versicherte Goethe, sofort, tief erlöst: Gottseidank war die Klippe umschifft, die Gefahr vorbei, und hatte er überdies den Herzog jetzt dort, wo er ihn gerade heut haben wollte. »Ich freue mich vielmehr ganz besonders . . .«
    »Was man in sich selber nicht hat«, unterbrach rasch Karl August, »das begehrt man am meisten. Ich muß einen Charakter wie Iphigenien verehren, weil mir die Reinheit, die Unbedingtheit, Sicherheit, – Selbstverständlichkeit ihres moralischen Instinkts leider Gottes abgeht. Rettungslos abgeht! Ich mußte immer an Louisen denken, als du lasest. Es ist eine Ironie sondergleichen, daß mich das Temperament des Bluts von einem Menschen entfernt, den der ethische Sinn aufs Bewußteste immer neu suchen geht. Welche Vorwürfe ich mir oft mache! Du hast keine Ahnung! Aber auch das tat mir wohl: jetzt, im Zuhören, zu erraten, daß du, ganz ähnlich wie ich, zum Dithyrambus auf die edle Frau eigentlich nur dadurch kamst..«
    »Wodurch? Schnell! Also?« fiel entsetzt Goethe ein.
    » . . . daß du dein eigenes Ideal von Sittlichkeit«, antwortete ohne Schonung Karl August, »in dir selbst nicht erreichtest. Daß du anders lebst, als du innerlich möchtest. Und, von diesem Gesichtspunkt gesehen – da kommt die Erzherzogin!«
    »Darf ich Ihnen«, lächelte er wunderschön nach der Verbeugung, die er mit duftiger Frisur über dem Handschuh der jungen Maria Anna gemacht hatte, »meinen Freund und Minister Herrn von Goethe vorstellen?«
    Erzen, bolzengerade, das gefrorne Lächeln restloser Hofetikette in den zusammengerafften Zügen, stand Goethe vor dem verlegenen Prinzeßchen.
    »Sie würden es verschmerzen dürfen, kaiserliche Hoheit«, fuhr der Herzog übermütig wie in einem Champagnerschwips fort, »keinen Sprudel in Karlsbad getrunken und mich und andere Barbaren mit Krönchen nicht gesehen zu haben. Aber ihn nicht gesehen zu haben . . . . . . .«
    Alle, wie verabredet, lachten: die Erzherzogin sanft und ahnungslos; die Fürstin Dietrichstein und die Gräfin Bellegarde furchtsam; der Herzog inbrünstig; Goethe steinern.
    »Und Sie können sich's erst noch zum Glück anrechnen. daß Sie ihm mit mir da begegnen! Denn er hat eine heillose Angst vor allem, was Hof ist, weil er schon elf Jahre bei Hof ist, und flieht, was nach Thron riecht, wie den leibhaftigen Teufel! Haben Sie seinen Werther gelesen?« – Da, unheimlich rechtzeitig, trat Goethe vor. »Kaiserliche Hoheit haben einen anmutigen Spaziergang gemacht?« lächelte er wie von kirchturmhoher Höhe herab, daß es dem Herzog schien, er höre die Scherenspitzen klappern überm zerschnittenen Faden. »Die Umgebung Karlsbads ist ja so unendlich abwechslungsreich, so

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