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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Bildern ihrer rettungslos, hoffnungslos ewig gleichen Personen, Landschaften und Begriffe erstand vor dem Fenster die Grimasse der Gegenwart. Aber hinter ihr, märchenhaft plötzlich, in heiterster Sonne die Welt. Breit und nach allen Richtungen der säuselnden Winde hin gewendet, schnitten schimmernde Straßen ihren köstlichen Plan. Von sanften Höhen herab winkten Tempel. Aus Hainen, die südlich erglühten, Statuen. Aus den Bögen der leichtesten Loggien die Pracht großer Farbe. Die Freiheit herrschte, die Schönheit erschuf, – und die Kunst triumphierte. Neben ihr, als nicht weniger göttliche Schwester der Göttin, die Lust der Natur. Aus dem Wirrsal der Formen der Erde, aus dem Teppich der Blumen, dem Nebeneinander der Tiere, aus der lebendigen Vielzahl der Rassen des Menschen blinkte, unsäglich verlockend, das Geheimnis des Gesetzes, aus dem heraus all dies geworden, war, und noch wurde. Vor dem Bilde des Ganzen aber, jauchzend, stand er und –: begriff es! Und in diesem Begreifen, in einem einzigen Augenblick, siehe! sank alles dahin, was er bisher gewesen. Und ward er neu! Erstgeboren! Goldener, goldenster Raum senkte sich rechtfertigend herab aus der kampfwild erstrittenen Weite auf die dunkel geborgenen Früchte des Darbens. Befreit aus den lange verschlossen, verdrossen gewesenen Keimen der Enge stiegen die Gestalten der Poesie in das Leben zurück. Faust rief mit mephistophelischer Sicherheit, Tasso flehte in der Inbrunst seiner zertretenen Seele, Egmont befahl mit der lautern Stimme seines reinen Schicksals: »In die Welt!« – »Nein! Ich muß gehen, sonst ermord' ich mich selber!« schluchzte, endlich besiegt, die Brust überm schlafenden Kinde.

Zweites Buch
    Flucht
    »Also Iphigenien erwarte ich in längstens vierzehn Tagen?«
    »Ich denke, ich darf es versprechen.«
    »Und Werther wirst du gewiß nicht liegen lassen? Nicht vor der Mühe erschrecken und Reißaus nehmen? Es wäre jammerschade.«
    »Der Kerl ist mir zuwider wie Stachelbeersulze. Aber in Gottesnamen will ich's noch einmal versuchen.«
    »Es ist mir eine wahre Erleichterung, denken zu können, daß die vier ersten Bände der gesammelten Schriften nun endlich in Ordnung sein werden. Man will doch einen Überblick haben. Und diese unbezahlten Nachdrücke! Daß du aber dem Göschen ordentlich auf die Finger schaust! Der beluxt dich sonst auch noch! Ich meine überhaupt . . . .«
    Nervös unterbrach Goethe: »Dich friert ja!« Er hatte Frau von Stein, die nach vollendeter Kur heimfuhr, vom Karlsbad bis Schneeberg herübergeleitet. Sie gingen, indes der Postillon im Gasthof drin sein Halbmittag löffelte, auf den Katzenköpfen der engen Gasse auf und nieder. Der Omnibus stand mit scharrenden Pferden in einer großen Regenpfütze parat, die den südwindgejagten Blankhimmel blauweiß widerspiegelte. »Du bist immer das gleich unvorsichtige Geschöpf, das nach dem Kalender und nicht nach dem Wetter geht!« Umständlich legte er ihr die Federnboa, die sie um den Hals trug, unter dem zylinderartigen Maschenhut enger an. »Als ob's Mitte August in Böhmen nicht hundekalt sein könnte! Und wenn dir gerade jetzt, wo du dich erholt hast, ein Schnupfen anfliegt?«
    »Mein Zahnweh, höchstens, fürchte ich.«
    Wie er sie ansah, mit kummervoll großen nachdenklichen Augen, konnte er für ihren Mann gelten. Der glücklich war. Gattenhaft fürsorglich sah er aus im grauen Reiseüberrock, in den festen Kalblederstiefeln und dem dicken Halstuch. Das Gesicht sonnverbrannt, die Gestalt zwar hager, aber verjüngt gegen Weimar. »Die paar Wochen«, sagte Frau von Stein froh hin, sie hielt die Hutkrämpe gegen den lustigen Wind, der an den altgrauen und altgelben Hauswänden hinstrich, den Hahn auf dem Kirchturm tanzen und die grünen Fensterläden klappern machte, und lachte gesundet, »will ich's schon fertig bringen, mich zu schonen. Und dann kommst du ja wieder! – Mon Dieu! Fährt er schon ab?« Sie liefen zum Omnibus zurück. Nein, der Herr Postillon hatte noch einen Schnaps zu trinken! Aber die Passagiere waren schon drin im Wagen. »Sage!« fragte Frau von Stein lebhaft und legte ihren Arm so in seinen Arm, daß die Hand im safranfarbenen Handschuh gerade seine Hand fand; »was für eine Arbeit wirst du nun vornehmen? Steine, Pflanzen, Osteologisches? Oder Tasso?«
    Er vermochte nicht gleich zu antworten. Verlegen blickte er weg. Stieß die Spitze des Stockes zwischen Katzenkopf und Katzenkopf in die Erde. Weißgott! Wenn er es unnachsichtig

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