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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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jetzt war der Damm gesprengt, es flutete das Meer! – »es gibt zwei Arten großer Existenzen. Die eine will, was ist, in ihr versammeln, um es verneinend zu vernichten. Die andere: es in ihr zusammenpacken, um höchst gemäßen Sinn daraus zu formen. Aufs eine oder andere kommt es an, – dem Teufel gegenüber!«
    Checchino aber war hartnäckig. »Läßt Euch , wird Euch der Teufel je noch lassen? Dieses sagt! Denn eines hab ich lange schon heraußen.« Noch näher, stinkender, ausnahmslos irdisch trotz dem Brand in seinem Auge, winkte er Goethen. »Verwandte riechen sich. Ihr habt es mit dem Teufel!«
    »Hm,« lachte Goethe.
    »Wird er Euch jemals wieder lassen?«
    Mutwillig schüttelte Goethe das Haupt. »Er soll es gar nicht, eh ich ihn nicht lasse!«
    »Jesus, Maria!« Wie Schlamm im Donner zitterte der schlechte Leib. »Und wenn Ihr – abberufen werdet, eh Ihr ihn gelassen?«
    Der Lächelnde ergriff den Halm, der ihm am nächsten wuchs. Unschuldige Welt! Ein süßes Licht brach aus dem Halm: ich bin! Ein heller Schimmer goß sich aus der Scholle aufwärts: ich werde! Ein Chor von liebevollen Vögeln taute nieder aus dem Himmel, troff durch die Pinienbüschel, rechtfertigte den sanften Prunk der fernen Villa, die grüne Wiesenbreite, die roten Stämme, das zwiegespaltne Menschenherz im wüsten Leib – und seines, und verkündete: und werde sein! »Du fassest es falsch auf, Checchino,« sagte er gütig und drückte mild die mißgeformte Hand. »Von deinen Sünden lösen kann dich auch kein Gott! Das kannst nur du allein! Treib dir den Teufel selber aus, wenn dir schon graut vor ihm! Mir graut noch nicht.«
    »Warum noch nicht?«
    »Treib dir ihn aus!«
    »Womit?« In atemloser Gier kam es heraus. »Womit?«
    Den Arm streckte Goethe aus ins Grüne, das von dem Himmel nieder auf die Erde der Vogelchor durchwallte. »Weil ich bei dir, bekannter Dieb, Wachshölzchen kaufe seit einem Jahr, willst du mich kennen? Kenne ich dich?« Im Übermaß von Wonne über Flut und Fluten, die jauchzend die gesprengten Dämme schwemmten, strahlte er. »Hätt'st du gesehn, wie ich mich da in Rom von ihm verführen ließ! Von Dach zu Turm. Von Turm zu Obelisk. Von einem Schattenreich tollkühn ins andere. Mir klang sein Lockruf: eritis sicut Deus! «
    »Hihihihi.« Unbändig rieb der Zwerg die nassen Hände.
    »Ich widerstand ihm nicht. Ein freier Geist und guter Wille, in seinem dunkeln Drang, ist sich des letzten Ausgangs wohl bewußt. Lach' nicht, Karikatur! Nur: wer sich strebend immerdar bemüht, den können sie erlösen!«
    »Und, um erlöst zu werden, sich just zuerst dem Teufel übergeben? Mit Blutpapier? Beschwornem Pakt?«
    »Das Streben meiner ganzen Kraft
Ist grade das, was ich verspreche!«
    Wollust, gemischt aus Todesfurcht und Lebenssucht, schoß in den Zwergenleib. »Dennoch!« pfiff der verdorbene Mund. »Ihr werdet verspielen, wie ich!«
    »Und riß er mich von jeder vorgetäuschten Höhe zurück in meine wahrste Tiefe wieder, jedesmal, und fand ich mich, auch jedesmal, anstatt als Gott, als Wurm, – sooft ich nur mich wieder frei erhob, demütig, dumpf und dumm, um neu zu schaffen , – hat er verspielt!«
    »Was schaffen? Schaffen? Ich kann doch nichts schaffen!«
    »Das Grottchen dort im Artischockenbeet?«
    Das Auge des Krüppels, wie es in das Beet hinüberschielte, ward katzengrün. Im schattigsten Eck des Artischockenbeets hob sich von Tuffstein ein gehöhlter Berg aus der lockeren Erde. Die dicken Blätter der Staude strichen bis vor den finster überhangenen Eingang. Am Feld des Eingangs saß auf verquältem Block Hieronymus. Ein Steinpult, quaderlich gebaut, trug den Folianten, worin er emsig schrieb; der gelbe Löwe, fein aus Wachs gebildet, leckte ihm die heiteren Zehen.
    »Kinderulk!« Die Zwergenstimme spuckte Geifer.
    »Wenn es das Beste ist, was du erschaffen konntest?«
    Wie eine Flamme, der das Öl ausgeht, schrumpfte der bucklige Leib zusammen. Einen irren Blick schossen die Augen in die Höhle, auf den Hieronymus und auf den Löwen; in das strotzend grüne Beet. Mit gebrochener Hand versuchte er einen Griff. Fand keine Hand, die faßte; nur Fließen der Lüfte. Nun, in raschem Sturz, sank er zu Goethes Füßen nieder. Sein Gesicht wies immer noch die gallige Kälte. Aber die Brust ging keuchend wie ein Blasbalg. Die Finger, schlaff scheinbar niederhängend, klaubten Erde unterm Gras hervor. Die dreifarbenen Strumpfbänder schlotterten mit dem entsetzten Schlottern der gekrümmten Beine. Der

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