Goethe
Lichtmeßtag gezeigt!«
»Was – tätet Ihr damit?«
»Sag, wo hast du ihn?« Am Kragen, wütend, packte ihn Goethe. »Wo ist er?«
Der Leib des Zwergs bekam die Gräue des Chamäleons. Umringelte für einen Augenblick die ganze Welt mit der erlogenen Höhnung seiner unbeteiligten Farben. »Im dreckigen Bauch der Barberina halt' ich ihn versteckt. – Jetzt wißt Ihr's!«
Nach einer Weile erhob sich Goethe. Er sah die Sonne, hörte ihren Donnergang, die Lüfte steigen, sinken, sah Engel in morgensilberne Posaunen blasen, Teufel Fetzen reißen aus dem blauumdrehten Globus, und ringsumher, mit weisen Sternen, lächeln einen großen Meister. »Der Stein muß aus dem Bauch, muß weg!«
»Das glaub ich!« Unverschämtes Meckern. »Aber wohin dann? Vielleicht Hieronymuschen in die Nase?«
»Lump!« Wie ein Bündel Reisig riß Goethe den Zwerg an seinen Leib hin, preßte ihn, daß das zitronengelbe Fratzengesicht blaurot wurde. »Hast du nicht eine Kraft, ein Werk, das allerschäbigste, aus dir zu schaffen?«
»Einen Madonnenaltar bauen möcht ich,« keuchte der geschundene Atem. »Es kommt der Mai.«
»So bau ihn!«
»Aus Zuckerbrot?«
Mit plötzlich fremden Fingern ließ ihn Goethe los. Nahm das Heft vom Gras auf, den Bleistift und fuhr fort, zu schreiben.
»Und: wohin? Vielleicht hinauf in diese Pinie?« Wie ein zertretener Käfer klebte der Zwerg am Stamm der Pinie. »Zwischen die zwei Wangen aus lebendigem Holz da?«
Goethe hob das Auge. Aber sah nur: mit weisen Sternen lächeln einen großen Meister. Und unter diesem Lächeln: den riesigen Kater, die Hexe mit den siebenzehn Warzen auf der Nase, und den Becher.
»Von mir aus,« schrie Checchino gallfahl auf, »stell ich der Madonna die nackte Aphrodite gegenüber! Mir handelt es sich nur um einen Schlag in diese Teufelsvisage? – Was tun?«
»Was du mußt.«
»Ich muß gar nichts!«
»Dann, was du kannst.«
Nach langem Zögern, entschlossenen Schritts, kehrte Checchino zu den Beeten zurück. Wie um sich der Maße ihrer Grenzen zu versichern, umschlich er sie mit kleinen Trippeltritten. Nahm dann drei dicke Bündel Spargel, den Korb mit den gebrochenen Artischocken und die Spatel aus dem Boden auf und trat getrieben vor die Tuffsteinhöhle hin. »Soll ich?«
Goethe hörte nur: die Sonne rollen; Engel in morgensilberne Posaunen blasen; Teufel Fetzen reißen aus dem blauumdrehten Globus; und den Meister lächeln.
»Soll ich?« rief der Zwerg zum zweitenmale; drohend.
Ein Katzenreigen tanzte vor Goethes Augen. Die Hexe tat unflätigen Spaß. Zwei Welten paarten sich in ihrem Motto. Der stinkende Beizrauch der einen löckte gegen die kristallne Luft der anderen. Während sich im Antlitz eines Weibes, das dem neugeborenen Auge rein entstieg, der Blick des Ewig Weiblichen gebar.
»Soll ich, du Luzifer?«
Keine Antwort.
In den Boden, ohne Echo, stampfte der Krüppel. In den Himmel aufwärts ohne Widerstrahl riß sich sein Wille. Plötzlich – der Körper drehte sich, ein Krampf erfaßte ihn – fand sich sein Arm, die Hand magisch gezogen. In sicherem Griff erfaßte sie den Hieronymus, hielt ihn wägend, dem stachelscharfen Auge folgend, wider das Licht; nun den Löwen, hielt auch diesen probend, dem erbarmungslosen Blick gehorchend, in das Helle; warf nun, streng senkrecht, beide in die Erde. »Fertig!« Und zertrat sie.
Nach einer Weile, schleichend, kroch der Zwerg zurück zum Bruder. »Haben wir da vorhin,« keuchte er, widerlich vertraut über den so fernen Rücken gebeugt, »im Ernst geredet oder im Spaß?«
Nicht auf sah Goethe von dem Blatte. »In vollem Ernst. Wirf ihn in die Cloaca maxima!«
»Wen?«
»Den ungebrauchten Stein.«
»Den ungebrauchten Stein!« Und wie ein Dieb, dem der scharfsinnigste Einbruch gelang, kicherte der Zwerg. Mit Spottblick, tänzelnd, scheppernd, hüstelnd, Spargel, Artischocken, Spatel wie ein Bajazzo an den Bauch gepreßt, schob sich der Leib am Bruder vorbei, ins Grüne. Denn nun – nahm ihn das Grüne auf. Die Halme lachten mit den dreifarbenen Bändern, die drollig niederhingen, lustig. Der Himmel blinzelte: »spiel nicht aus Scham mit Akrobatenstücklein!« Die Erde glättete sich freundlich seinem Schritte. Der sanfte Prunk der Villa grüßte lieb herüber, vor den verglänzten Zweigen strahlte Rom, die Welt voll Morgen, und verfemte nicht! »Geht ihn nicht suchen!« rief der Verwandelte zurück, als er schon heil entronnen war. »Ich hab ihn eben totgetreten. Er stak im After des Hieronymus. Ihr
Weitere Kostenlose Bücher