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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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verzweifelten Händen, »Hans!«
    »Da bin ich!« erwiderte er und wollte die starke Hand auf sie legen. So war es recht! Dies, diese Qual, diese Wonne der Qual, ein Herz bis in den Abgrund der Finsternis gestoßen zu haben, darnach verlangte ihn. »Sieh nur, Riekchen,« sagte er unbewegt, – aber nun war das Mädchen nicht mehr da. Ohne ihr nachzuschauen, in ebenmäßiger Ruhe, versenkte sich das Auge in die Transfiguration. »Du bist vorüber, Michelangelo!« sagte er absichtlich laut und liebkoste fast schadenfroh Raffaels Harmonien. »Und du, Sanzio, wieder am richtigen Platze. Ja!« In sicherer Fülle erglänzte der Blick; tief drinnen im Grün des Weibes, das in der Mitte des Bilds kniete, saß er. »Denn jetzt bin ich genesen! Von dir, Michelangelo, an Apollo gewiesen, von Apoll, den ich fürchtete, zu Apoll, den ich liebe, – an euch beiden genesen!« Und inniglich breitete er die Arme zum Weibe empor. »Was könnet ihr mir nun noch anhaben, ihr Bilder und Steine, da euer Geheimnis euch unversehrt blieb? Selige Künstler, gleich Schöpfer wie Er, gleich unergründlich, unerfaßlich, in . . . .«
    » . . kommensurabel wie Er?«
    »Du bist noch da?«
    »Zu Befehl!«
    »Den Geist meines Vaters!« donnerte er, ohne einen Augenblick zu zögern, den Schwarzen an. »Rasch!«
    Und erstarrte.
    »Den Tod des Sokrates!«
    Und lächelte.
    »Christum am Kreuze!«
    »Verzeiht . . .!«
    Er wankte nach vorne, an die Bank hin, die unter dem goldenen Rahmen des Bildes dunkelte. »Ich meine ja nur: Entwicklungen!« hauchte er, demütig um Verzeihung bittend. »Marksteine. Ich bin ja historisch; von Anfang an mitgewesen. Gib mir, zeige mir,« rief er, veränderter Stimme, »die Urpflanze! Nein! Den Knochen! Jenen Knochen,« fuhr er ungestüm fort, weil er das schleimige, sich unheimlich regende, drehende Blatt in der Hand hielt, »jenes Urbein, oder Urblut, aus dem wir gemacht sind! – Nein! Die Formel, die Kraft, das Gebräu,« fuhr er atemlos fort, weil in seiner Hand, neben dem Blatte, ein Rohr schwoll, lebendig? wievielemale geknotet? welchen stinkenden Inhalts? »jenen Brei, der die Elemente schafft, wandelt, ver . . eint . !« Er stutzte. Seine Hände troffen von nassen Nebeln, seine Füße stapften in teigigen Bächen, seine Stirn focht gegen Fasern und Laven. »Nein! Das Rezept! – Nein,« lachte er gleich darauf übermütig, »den Stein der Weisen!«
    Sofort trat der Schwarze mit ihm aus der Tür. Aber wie er sich nun in den Eselmist in der Straße niederbeugte, sah Goethe über seinem gekrümmten Rücken, im Strahl des Mondes, ein Paar den Weg heraufsteigen. Hurtig schüttelte er den Zauber ab; dieses Paar kam ihm unerwünscht! Faustina aber, blitzschnell ließ sie den Knaben in den Boden nieder und sprang auf ihn zu. »Ich bin dir durch die ganze Stadt nachgelaufen,« keuchte sie, »was fliehst du mich auf einmal? Wenn du mir langsam folgst, können wir die Nacht, – das Wieschen ist warm heut!«
    Er nickte nicht einmal. Trat entschlossen an den Alten heran. »Guten Abend!« Reichlich verlegen klang die Stimme; er war dem Manne seit jenem Abend im Herbst beharrlich ausgewichen. »Ihr geht schon nach Hause?«
    Der Alte, schwarz und hoch wie damals, lächelte gleichgültig. Das Kind stand in den Falten seines Mantels, wie Jesus an Christophorus. »Und Ihr, noch immer da?«
    »Wie Ihr seht.«
    »Und gut genutzt die Zeit?«
    »Wie? Seid Ihr stumm geworden?« lachte der Alte spöttisch auf, weil der Gefragte wie erschlagen schwieg. »Du gehst voran!« Mit einem Seitenblick war er des Weibes gewahr geworden, das unverhohlen lüstern näher trippelte. »Sogleich! Pack dich! Den Buben nimm mit dir!«
    »Und das Ergebnis?« Teuflisch schmunzelte er. Ha, wie das Weib folgte! »Das Fazit! He?«
    Kein Wort vermochte Goethe herauszubringen.
    »Also: dem Teufel übergeben?« Wie metallenes Urteil klang es. Und war doch nur Wollust. »Ja, Michelangelo suchen, und eine römische Dirne finden! An keiner Lust vorübergehn!« Mit spitzem Strahl zerriß der Ostermond die dunkelbartige Miene. »Nur nichts auslassen! Wahllos nehmen, was nur gerade daliegt! Und sich vorlügen: durch dick und dünn hinauf! «
    »Es führt hinauf!«
    »Was führt hinauf?« Mit grober Hand riß er die fremde Schulter an die seine. »Was abwärts geht, geht nie hinauf!«
    »Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange . . .«
    »Ein guter Mensch?« Wie eine Pappel im Sturmwind wuchs der Alte empor. Und wie einen Zwerg, von ganz hoch oben

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