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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Grenzen dieses Landes nicht ausleben!«
    »Was Sie aber,« vollendete er noch heißer, »in dieser persönlichen Verfassung auszuwirken streben, mißbillige ich genau nur so persönlich, wie Sie oder ein anderer mein ganz anderes, persönliches Streben mißbilligen. Es trennen uns also nur Anlageeigentümlichkeiten. Ansichtsunterschiede. Wenn Sie wollen: Geschmacksverschiedenheiten!«
    »Die Persönlichkeit eben!« Nachdenklich senkte Karl August das Haupt. Sagte lange nichts. »Und dennoch erblicke ich,« fuhr er plötzlich auf, »eine gewisse Analogie zwischen deinem und meinem Wirken. Die nämlich, daß du . . .«
    Traurig unterbrach Goethe: »Daß ich, der Prediger des Wirkens im kleinen Kreise, bei Nacht und Nebel in die Welt hinausfloh, . . .«
    » . . . die nicht hohl ist!«
    Inbrünstig ergriff Goethe die hellen, kühlen Hände des Herzogs. ». . . um von der Welt aus in den kleinen Kreis zurückzuwirken. Ja! Diesen Vorwurf habe ich mir oft gemacht, wenn ich mich, in der Welt draußen, der eifrigen, oft sehr intoleranten Monitionen erinnerte, mit denen ich Ihnen tausendmal lästig fiel!«
    »Und hoffentlich noch recht oft lästig fallen wirst!« Und geradezu gierig rückte Karl August an ihn heran. »Italien darf dir nicht deinen Charakter genommen haben! Charakter aber ist immer etwas Intransigentes! Der Unterschied zwischen uns bleibt ja auch bei nachsichtigster Duldung meiner Steckenpferde immer noch groß genug: du wirkst für den Geist der ganzen Welt, ich für ein Stück ihres Körpers. Andere Fähigkeiten habe ich nicht!«
    Wer ist da bei mir? Welches Haupt liegt an meiner Brust? stöhnte Goethes zerschlagenes Herz auf; den letzten Kuß unter der Porta del popolo küßte er wieder.
    »Mehr aber, als seine eigenen Grenzen einsehen lernen,« vollendete Karl August ergeben, »kann man nicht!«
    Gehe! flehten beschwörend die Augen aus dem Haupte, das an Goethes Brust lag, zu ihm empor. Kehre um! Gehe! Und mit der Glut jener Liebe, die ewig ist, weil sie erworben ward in der Prüfung des Herzens, im unerbittlichen Suchen des Lichts und im Kampf gegen das Finster-Bequeme, schmiegte das Haupt des Geliebten sich dem sehnenden Schlage. Oder siehst du nicht, schlug dieser Schlag, die unwandelbare Gräue, die dir die mühsam errungene Flamme raubend umfrißt? Nicht die Kleinheit der Gemüter, die sich deiner größeren Einsamkeit auftrotzen? Wenn schon dieser, der dich von allen am ehrlichsten liebt, nicht zu folgen vermag dem Wege, den dein neugeborener Mensch weist? Jene Frau, der du untrennlicher Gefährte bleiben wolltest, wo du ihr Geliebter nicht mehr sein konntest, dich wie einen untreuen Baron von der Schwelle jagt, – wie werden dann erst die noch Kleineren sein, die nicht lieben, sondern hassen . . . . . . ?
    »Und – die Ackerwand?« fragte, nach langem Zögern, der Herzog.
    »O, furchtbar!«
    Wehmütig erhob sich Karl August. Aus dem Leibe, der sich neben ihm wieder steif an die Wand schmieden ließ, stieg ihm von Minute zu Minute durchsichtiger und vertrauter die Person dieses Leibes entgegen. Neigte sich ihm zu, seinem aufrichtigen Geiste, der aufrichtige Geist dieser Person, blickte ihn treu an, zweifelte nicht lange, legte sich ihm in die Arme und verschmolz mit ihm. Jugend dämmerte mit verklingenden Spielen auf. Die Rücksichtslosigkeit des Mannwerdens, die Mann von Mann reißt, fand harte Akzente. Draußen im Garten, weit voneinander geschieden, schritten zwei Getrennte. Da aber, in der Brust, die Vergangenes und Gegenwärtiges gleichzeitig und mit Ruhe schaute, floß die eine Seele brüderlich ein in die andere, und beide, als Eines, sagten lächelnd: »Widerfährt uns nicht dasselbe Schicksal?« – »Lebewohl!« Leicht stand Karl August auf. Leicht nahm er die leblose Hand. »Du hast mir wohlgetan! Wie immer! Ich glaube nicht, daß du jemals nicht wissen könntest, was du mir bist! Damit aber muß man sich wohl abfinden: daß . . . . .«
    »Daß?« fragte leise der andre.
    » . . . zwei ausgeprägte Persönlichkeiten, trotz dem innigsten Drang, einander in restlosem Verstehen zu erlösen, einander nicht weiter erlösen können, als ihre unabänderbaren Richtungen es erlauben. Und daß die letzte Möglichkeit dieses Drangs sich nicht im Positiven ausleben darf: im Wohltun durch Aufnahme des anderen; sondern im Negativen: in der Erkenntnis eben dieser Beschränkung! Ich hätte dir so gerne die ganze Fülle deines Erwecktseins von der Seele genommen, die keucht

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