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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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unter der Fülle, und kann es beim herzlichsten Willen nicht! Du nähmest mir so gerne ab, wovon mein kleineres Hirn und meine mäßige Seele übervoll ist, und kannst es auch nicht! Und doch, scheint mir, steht jedem von uns, im Männlichen, auf der ganzen Welt niemand verstehender nahe, als eben der andere! –Sei still!« lächelte er und zog den anderen zärtlich in den Flur. »Wenigstens wissen wir um das Geheimnis dieser Armut! Es heißt: Du und ich!«
    »Bleiben Sie mir!« schlang sich Goethe im dunkelsten Flur drin bettelnd um ihn. »Bleiben Sie mir!«
    »Bleibe du mir!«
    »Mißverstehen Sie mich nicht!«
    »Niemals!«
    »Groß ist dieser Fürst!« flüsterte der Zerbrochene weh vor sich hin, als er, ausgelöscht völlig, die schwarze Treppe in die schwarze Stube hinaufstieg. »Ein Mensch ist dieser Fürst!« rief er laut in die Wände hinein, mitten in der taubstummen Nacht. »Ich liebe dich, Karl August!« – »Ich liebe dich, Lotte!« rief er, noch lauter, noch heißer in das noch schwärzere Finster. »Liebe euch alle!« Und wie niedergeschlagen sank er zu Boden. Umarmte ohnmächtig den Schafttorso einer Säule, der leidend aufragte aus der Unordnung der leidenden Dinge. »Ja, du weißt es!« Und als ob der kalte Stein das Antlitz der Geliebten wäre, mit dem vollen Feuer der Sehnsucht schmiegte er die Wange an die Säule, küßte sie, küßte sie. »Weißt es, wie ich sie lieben wollte! Alle! Während ich mir Liebe ausriß mit hartherziger Hand aus dem Herzen, um die Welt in mich hineinzutrinken, für sie, für sie alle, – immer nur neue, immer neue Liebe sammelte! Und nun knie ich da, die Arme voll Wunder und die Augen voll Sonne und die Brust voll Gnade, um sie alle so zu erlösen, wie ich selber erlöst wurde, – und sie stoßen mich alle zurück! Alle! Selbst sie!«
    »Aber ich nicht!« flüsterte der Mund der Geliebten an seiner Wange.
    Und noch sehnsüchtiger küßte er, küßte er die schmiegende Säule. Noch weher.
    Freilich, als er an einem der nächsten Tage an der Hoftafel erschien, wußte sein Mund von diesem brennenden Kusse nichts mehr. Undurchsichtiger als jemals vor Jahren war sein Gesicht. Das Auge ungewiß. Die Bewegungen unfrei. Jede Regung unter der ständigen Obhut des Willens. Hingegen sein Wort, wo er es hergab, völlig sicher. Nur als er, zur Herzogin Mutter hintretend, Frau von Stein gewahr wurde, kam auch das Wort ins Schaukeln. Er schien zu stolpern, errötete. »Du und ich?« fuhr es eiskalt durch den steif getragenen Leib. »Muß da nicht noch etwas getan werden, zwischen: mir und dir?« In der nächsten Sekunde trieb er schon wieder im Flusse. Amalia entriß ihn, hängte sich ihm ein, zog ihn in die Fensternische. Gerade, als Karl August auf die Nische zusteuerte, ließ ihn Louise zu sich bitten. »Kommen Sie nächster Tage doch wieder!« bat das kühle Blumengesicht über dem blaßblauen Kleide aus Einsamkeit und Abwehr zu ihm empor. »Aber nicht so wie jüngst. Länger; zum rechten Erzählen!« – »Gerne! Zu gerne!« lächelte er mit bereitwilligster Verbeugung. – »Komödiant!« zischte der Herzog, mit düsterem Beifall, hinter ihm. Für einen Augenblick fiel die Maske; mit seinem eigenen Gesicht blickte Goethe ihn an. Im nächsten saß sie noch gefestigter in den Zügen. Aalglatt entschlüpfte er dem Herzog und der Herzogin, trat auf die Gräfin Reuß zu. Die Gräfin Reuß saß zwischen dem Grafen Goertz und dem Grafen Witzleben. Zwei entzückende Pflästerchen gingen mit ihren lebhaften Pausbackwängelein unentwegt auf und nieder. »Sehr richtig!« bestätigte er strahlend. »Ein herrliches Land!«
    »Auch ein sehr romantisches Land?«
    »Auch ein sehr romantisches Land!«
    »Haben Sie viele Apfelsinen gegessen?«
    »In Sizilien schon zum Frühstück. Vom Baum herab!«
    »O, das muß . . . .« Parat schoß die Gräfin auf. Der Zeremonienmeister hatte das Zeichen zur Tafel gegeben.
    »O?«
    Wie ein Dolch durchbohrte Goethen der Ruf. Zu seiner Rechten saß Frau von Stein. Wie einst. Lautlos ließ er sich nieder. An der Mitte der Tafel hatte Amalia Platz genommen. Zu ihren Seiten der Herzog von Meiningen und Karl August. Ihr gegenüber Louise mit dem Prinzen von Gotha und Goethen. »Sagen Sie mir,« fragte ihn, ganz im Sattel, Frau von Stein, kaum daß er die Fassung wieder erlangt hatte, »war die Tafel je so komisch zusammengestellt?« Aus vollkommen beherrschten Augen sah sie ihn an. »Ich meine . . . .« – »Fürwahr!« Das Herz schlug ihm bis zum

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