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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Finsternis, Löchern, wilden Tieren und Mooren, – wie das Meer von Klippen, Orkanen und Haifischen. Nun ist dieser Jäger, obwohl er schon am Abend zurückgekehrt sein sollte, nach drei, vier, fünf Tagen noch nicht wieder daheim. Das Mädel in seiner Hütte wartet, wartet und wartet . . . .«
    Wie vom Blitz mitten hinein in sein Herz getroffen, riß sich das Mädel vom Brett zurück, drehte sich um; sah ihm mit schauderndem Gesicht in die Augen.
    »Glaubst du nun, wenn der Jäger heimkehrt, – denn er kehrt natürlich heim! – glaubst du, er wird sich auch nur die Zeit dazu nehmen, um auszudenken, was sein Mädel in diesen furchtbaren Tagen und Nächten gelitten hat? An seine Brust nimmt er es, lachend, denn er hat Löwen erlegt und wird ihre Felle verkaufen, und küßt es wie der Sieger, der Sieger! Aber die Qual ihres Herzens . . . mit diesem Kuß ist sie, für ihn, ewig begraben!«
    Mit einem Schrei, einem einzigen fassungslos wilden Erbeben, brach das Mädel in Tränen aus.
    »Und dennoch,« – mit aller Gewalt zwang er dem Auge das Wort ab – »sie wird, ohne auch nur ein Wort zu sagen, nur ein einziges Schmerzchen aus ihrem Schmerz zu verraten, lächeln wie er! Nur noch glücklich darüber: daß sie so leiden durfte, um ihn wieder zu haben!«
    »Er kommt aber nicht mehr zurück!« Die Hände vom Gesicht herabgerissen, mit verzweifelten Lippen, schrie sie heraus.
    »Niemals wieder! Nie wieder!«
    »Er kommt gewiß zurück!«
    »Seit drei Tagen schon sollte er da sein!« Überschwemmt von den Tränen, an allen Gliedern zuckend und blutend aus unzähligen Wunden, rang der Leib sich, der ganze jäh aufgerüttelte Mensch sich ihm näher. »Sie wollten nur über Torcello hinaus in die obere Lagune. Von dort müßten sie lang schon zurück sein! Und es war Sturm in der vorgestrigen Nacht! Der Doddo vom Hafen erzählte, sechs Barken von Chioggia seien bei Ancona – vor Ancona! – gesunken.« Jede Nacht seit der zweiten habe sie mit den Nachbarinnen draußen auf den fondamenta verbracht, um ihm entgegenzusingen. Diese furchtbaren Stunden! Wenn man schon meint, nun ist es er, endlich und wirklich er, der zurücksingt, das Herz steht einem still, man macht die Stimme mit aller Macht groß und stark, sie muß das Wunder aus dem Himmel herabreißen, – und einen Augenblick darauf ist es wieder nichts! Ist es wieder nicht er! »O, wie schön war's, wie schön, als ich das alles nicht kannte!«
    »Was: Alles?«
    Sie schluchzte nur, das Gesicht in den Händen verborgen, unerbarmt vor sich hin.
    Seufzend steckte Goethe sein Wissen um dies »Alles« ein. »Er ist sehr gut zu dir?«
    Es kam ihr gar nicht mehr in den Sinn, zu fragen, wieso dieser plötzliche Fremde in das Meer ihrer Peinen hinabtauchen konnte. Das Gesicht, wie von einer Riesenfaust niedergepreßt, sank tiefer, stöhnend bäumte sich die Brust gegen das dreieckige Tuch, kein Tropfen Friede mehr rann im gemarterten Leibe. »Man braucht nur zu sehen, wie er mit seiner Mutter ist. Im ganzen Viertel heißt sie die Hexe!«
    »Wann sollte die Hochzeit sein?«
    »Zu Weihnacht.«
    »Hast alles schon hergerichtet?«
    »Alles!«
    »Die Marsili und die Perotti sind aber auch noch nicht zurückgekommen?«
    »Niemand! Nein!«
    »Darum sag' ich dir eben: er wird gewiß wiederkommen! Gewiß! Ganz gewiß!«
    Zitternd, bewußtlos, Finger für Finger, löste sie die Hände vom Gesicht. Es kam das Köpfchen eines Engels hervor, der sich vom Paradies auf die Erde herab verirrt hat und nach endlos vergeblichem Suchen nun zum erstenmal wieder den Schimmer des Tors sieht.
    »Gewiß kommt er wieder! Ich sage es dir!« Und weil sie im panischen Kampf zwischen Glauben und Zweifeln zu stammeln schien: »Wie wollen Sie das wissen?« setzte er noch bestimmter hinzu: »Gerade der Fremde kann das fühlen! Sieh!« Und heiß, jede Fiber der Seele in gespannter Erregung, rückte er ihr näher. »Gewiß: die Rückkehr ist verzögert worden. Aber durch Ungunst? Warum nicht durch Gunst? Matteo ist ein tapferer, verwegener Bursche, er wollte, sagen wir, bis Triest kommen . . . . .«
    »Bis Triest fahren sie niemals!«
    »Oder sie landeten, und zogen bis Aquileja, um Holz mitzunehmen, oder sie legten an einer der Inseln an, um die gefangenen Fische zu verkaufen und im Heimweg neue zu fangen!«
    »Nein! Unmöglich!«
    »Nichts ist unmöglich! Alles ist möglich! Du wirst sehen, wie wenig Mögliches du gelten ließest, sobald er dir das Unmögliche erzählt hat. Denn ich sage dir: er

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