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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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steht jetzt lustig singend in der Barke überm Wasser, hat ein lockeres Kännchen Wein neben sich – der Wind weht von Osten – und beeilt sich gar nicht, nach Hause zu kommen, weil ihn, nach Männerart, dieses prachtvolle Abenteuer sündhaft erfreut!«
    »Wenn er aber« – wie ein Dolch durchfuhr dieser Blick seine Brust – »wenn er trotzdem nicht wiederkommt?«
    Als ob in diesem Augenblick sich seine Füße unwiderstehlich von der festen Erde auf das schwanke Drahtseil wiederhöben, irr, blickte er von ihr weg. Den rivo aufwärts und den rivo abwärts. Nach dem Hause zurück. In den Himmel empor. Unheimlich ineinander, in das quellende Blut dieser zauberhaften Stunde flossen alle Zeiten, alle Länder, alle Schicksale der Menschen!
    »Ich kannte einmal ein Mädchen«, begann er endlich, ohne Stimme, »es war so jung, so unschuldig und so schön wie du. An einem Sommermorgen sah ich's zum erstenmal. Von diesem Blick an liebt' ich es. Als ob ich zweiundzwanzig wilde Jahre lang auf dieses Opfer wild gewartet hätte, und keines– keines mehr! – je später käme, das ich noch heißer lieben müßte! Und sie, die von der Liebe nichts noch, nichts! erfahren, – sie lernte mich wieder lieben. Ganz auf nahm mich das unverdorbne Herz. Trank kindlich gläubig jedes süße Wort, das niemals müde ward zu schwören und zu singen, wie ich liebte. Ich meint' es treu! Weiß Gott, ich meint' es treu! Ich liebte eben, liebte, – liebte! Anmutigeres als dies Geschöpf, das unter meiner Wonne täglich sonniger erblühte, hatt' ich nie gesehn. Mein Drang und Hang, ein heimliches Gemüt zu wissen, in das ich wahllos alles gießen dürfte, was wirr und unbeholfen in mir trieb und kämpfte, – ein inniglich bereiteres konnten sie nicht finden. Gott, war das Leben nun zu zweien schön! Nie mehr allein sein! Stündlich neu Vermählung! Der Tag begann mit Lächeln an den Zweiten! Im Lächeln an den Zweiten ging er hin! Mit einem Lächeln an den Zweiten schloß er!«
    Reglos, ein Kind, das Märchen hört, das holde Mündchen atemfroh weit offen, hing jetzt das Mädel heiß an seinen Lippen.
    »So wuchsen wir«, fuhr er schweratmend fort, »im Kreislauf eines Jahres tief zusammen. Hätt'st du mich damals je gefragt: was träumst du dir, was sehnst du von der Zukunft? – ich hätte fest beteuert: Margarethe! Und Margarethe? Sie? Um mir zu dienen, – nach Rußland, bettelarm, in Lumpen und durch Räuber, wohin ich wollte, wäre sie gewandert! Nur um zu lieben! Nur um mich zu lieben!«
    »Da, eines Tages – war ich weg! Ganz einfach weg! Nicht ohne Abschied! Nein! Ich sprach es deutlich aus: die Zeit, die ich uns beiden zugemessen, von Anfang an, ist nun vorbei. Das Leben, ob ich auch die Tränen sah, – sie. weinte, o wie bitterlich sie weinte! – das Leben, sagt' ich, reißt mich fort von dir. Es wartet, und ich will es nicht versäumen. Und ließ sie krank, zerbrochen und vertan, zertretnes Herz, der Hölle ihres Todes, – und ritt vergnügt in meine neue Welt . . .«
    » . . . und kehrte niemals, niemals, – niemals wieder!«
    »Wenn dein Matteo nicht kommt«, – als ob ihm die tobende Brust keine Silbe mehr gönnte, die ohne Tränen aus ihr aufstieg, sein Auge keinen Funken Lichts mehr sehen dürfte, ohne geblendet zu werden zur ewigen Strafe, sprang er auf und ins Ufer zurück – »wenn dein Matteo nicht wiederkommt, Marietta, – dann denk an Margarethe, die gejauchzt hätte, wenn ihr der Liebste nur gestorben wär'!«
    Und wie ein Schatten vor dem Aug, das ihm entgeistert nachlief, flog er weg.
    »Piero«, befahl er, heimgekehrt, ohne jedes Zögern, »packe meine Siebensachen. Heut Nacht mit dem Kurierschiff reise ich.«
    O, er war darauf gerüstet, daß der Alte verständnislos den Mund aufreißen und, wenn er entschlossene Augen auf sich gerichtet sah, erst in Entsetzen, dann in welsches Weinen ausbrechen würde. »Ich komme wieder, guter Junge!« sagte er drum schnell drauf, mit tief verhülltem Antlitz. Tat eine weite Handbewegung – wie über den Schmerz des starren Alten hin – und ging. Zur Carità noch einmal. Fuhr dann zum Redentore über. Auch der Rialto sah ihn; später abends. Die Dämmerung aber fand ihn draußen zwischen den fondamenta der Medicanti und Burano, zusammengekauert in einer finsteren Barke, die der greise Greco lenkte. Die Lagune still. Die Luft erfroren. In seinen welschen Mantel eingehüllt, saß er wie Statuenleib, den Blick ins tiefste Innere stumm versenkt. Sah nicht nach vorn,

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