Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
Vom Netzwerk:
wo überm Buckelgang des Wassers der letzte Schimmer dieses letzten Abends auslosch, und nicht zurück in die erblichne Stadt, die mit gerecktem Arm die vielgestuften Dunkelheiten ihrer Steine zu einem einzigen blauen knapp zusammenschloß und diesen scharf losrang vom Himmelbleich und vom erblaßten Westen. Kein Denken störte den entschlossenen Geist, das dem, was außer ihm war, gelten sollte. Nicht eine Regung im versammelten Gemüt, die andres traf als ihn allein. Er fühlte, lauschte, sann und sah nur sich. Das Vollempfinden ungebrochnen Reichtums, das ihm der Morgen weckend eingegossen, erfüllte ganz, mit Andacht, seine Seele. Fremd allem ringsumher, entrückt der Möglichkeit, daß auch Vertrauteste ihn fänden, und doch dem Zittern jedes Zufalls offen, der gut und bös ihn überrumpeln konnte, genoß er staunend die Gewalt des Seins. Was er sich jemals für sich selbst gewünscht, wovor ihm jemals, für sich selbst, gebangt: Wunsch, Wille, Furcht und Bangnis waren tot. Lebendig nur noch, in ganz sicherer Freiheit, das volle Wissen: Schale bin ich, Werkzeug. Was jetzt geschah, von dieser Stunde an, die ganz erwiesen, wie er sich besaß, – es konnte mehren, mindern, oder töten. Doch eines nicht mehr: ihn sich selbst entfernen! Vergangenheit, der lähmende Begriff von Zeit, die falsch gelebt, umsonst gelebt, wie giftiger Wurm am Mark des Heute saugte, von Zeit, die schön gelebt, doch, weil sie schon vorbei, nur Schwäche, Wehmut, Leid, ja Ekel nachließ, – seit diesem Morgen war dies Wort dahin. Ein einziger Blick, getan ins Urverhüllte, ein einziger Herzschlag, rein gewirkt im Blute, das über Recht und Frevel ferner Jahre auch heut noch warm in seinem Menschen floß, – und was er je gestrebt, gelitten und gesündigt, zu reiner Gegenwart geläutert war's gerichtet. Gar jede Freude hatte recht gehabt. Gar jeder Kummer hatte recht gehabt. So war er frei! Zum erstenmale frei! Auf festem Grund, den keine falsche Reue mehr benagte, nur noch das Grün der Dankbarkeit umwuchs, schwang frei der Raum der unbegrenzten Höhe, in den er bauen sollte, was der Ruf ihn hieß. »Nur noch der Tempel bin ich, der die Strahlen sammelt, die rund und hell in seine Fenster fallen, – und sie mit Aufwärtsblick, der Kuppel zu, zu neuem Lebenssinn nach oben wandelt. Leicht winkt die Erde mir, der klare Himmel leicht . . . .«
    Als ob ein Tau, das Stadt und Weite knüpfte, in raschem Riß erzitterte und schwänge, durchschnitt ein Laut – ein Schrei? – ein Lied? – die Luft, und eilte fragend, flehend durch sie weiter.
    »Die Weiber, die ihren Männern entgegensingen!« lachte kühl der Greco.
    »Pst!« hob Goethe streng den Finger.
    Und wahrlich – horch! – ganz ferne, ferne, sang die Antwort.
    Sanft, ohne Echo, wie verweht, erstarb sie.
    Nun Stille!
    Jetzt aber: – laut stand Goethe auf, die Barke kam ins Schaukeln – aus vier, fünf, sechs von neuem wachen Stimmen, die fordernd uferher herüberklangen, hob sich dem Ohr, das sie gespannt ergriff, wie Schwesterstimme auch Mariettas Stimme.
    » Come al lume farfalla ei si rivolse « sang's von ihr her.
» Allo splendor della beltà divina « schnell vom Meere her.
» E rimira d'appresso i lumi volse « neu hinüber.
» Che dolcemente atto modesto inchina! « hell herüber.
    Und jetzt, als ob der Rhythmus nun erst richtig rollte und Tassos Vers mit Flut und Ebbe wallte, spann Vers an Vers sich zur vertrauten Rede, die klar mit Frag und Antwort Meer und Land verwebte. Das Aug', dem Ohr gewichen, sah die Weiber nicht, die weltentrückt, mit hochgereckten Leibern, die Arme in die Hüften eingestemmt, der Luft dahingebeugt, die schmalen Ufer traten; die Männer nicht in den noch fernen Barken, mit dunklen Knieen tief in Fischen watend. Oft starb der Vers im Feuer der Begierde, heranzuzerren, was so schleppend nahte. Dann kam die Antwort wie gemacher Trost: »Ja, ja! wir sind es schon; habt nur Geduld!« Schnell drauf, im Gegensang, begeistert: »Gerne!« Oft aber trieb der Wind nichts als ein Echo her, und dies nur unverständlich, zweifelhaft, verschwommen; kam's südenher? kam's ostenher? Woher? Dann war's, als ob der Heldenmut der Weiber schrill zerbräche, der Tränen Furiengriff die Stimmen würgte, – und trieb der Wind dies Spiel noch einmal, zweimal, dann schrie Verzweiflung aus den halben Worten. Oft aber – kam auch nichts vom Meere her! Kein Stoß, kein Ruck, kein Wogensang, kein Säuseln. Erlogen lachte, was so klar versprochen. Die See lag tot. Im

Weitere Kostenlose Bücher