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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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hab' getan, was mir das Innere befahl!« Die Schuld bekannt! Die Arme aufgemacht!
    * * *
    »Sie haben« wagte sich Tischbein nach vielen Tagen stummen Staunens keck hervor – sie traten aus dem Tor der Villa Medici in den Prunk des Mittags heraus – »Sie haben sich auch hier gewandelt?«
    »Denken Sie!« antworte Goethe freudig, er hielt dem ungeheuren Licht gegenüber die Hand vor die Augen. »Ich habe heute Nacht auf den Vers: ›Und stufenweis herab ist es gelungen‹ die schauderhaften Folgen gemacht: ›Sie tritt hervor, und, leider schon geblendet, kehr' ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen!‹ – Nein! Nein!« Wie ein Bub lachte er. »Sie kriegen Antwort! Gemessen nach meinen Zielen bin ich der Mensch der Ordnung, des bürgerlichen Maßstabs; der folgegeduldig aufbauenden Architektonik. Hingegen streitet mein Wesen gegen jede Grenze. Wohin ich nur komme, ich muß alle Mauern einreißen. Beileibe nicht aus Übermut oder Zeithaben. Ich kann nur nicht sehen, bevor nicht der Blick nach allen Seiten hin frei ist. Um nun aber, nach diesem Blick, tätig leben, ja nur, um bestehen zu können, muß ich mir aus der flachgemachten Welt die Berge dann erst wieder aufbauen; aus der Grenzenlosigkeit der Weite die gemessene Nähe erst wieder aufzaubern. Das braucht natürlich Zeit. Und hier in Rom zehnfache.«
    »Ist aber, deutsch gesagt,« – nichts nahm Tischbein über sein Maß wichtig – »bereits geschehen? Und also Sizilien sicher?«
    »Das« – wieder hob Goethe die Hand vor die Augen – »weiß ich noch nichts Wenn ich, zum Beispiel, an das Fach der Münzen und geschnittenen Steine denke, und . . . Moritz kommt da!« Hastig, um nur zu enden: »Sie müssen bedenken, ich fange doch überhaupt erst an zu sehen. – Bitte, lassen Sie mich jetzt mit Moritz allein! Ich muß mit ihm reden.«
    »Ist Tischbein – meinethalben . . . . . . . .?«
    »Nein!« Vorsichtig nahm Goethe Moritzen an die Seite. Der trug den Arm noch in der Schlinge, ging aber sorgfältig herausgeputzt heute. »Meinethalben ist er gegangen.« Genießend lächelte Goethe. Die Dinge, alle, alles, hatten jeden Schleier abgestreift. Der Hauch der tausend abgeschiedenen Zeiten, der ihre Körper so lange undurchdringlich umträumt hatte, war nicht mehr auf ihnen. Das Fremde auf ihrer Stirne, das vom anderen Himmel, von der anderen Rasse und von der anderen Kultur her mit unnahbarer Eigentümlichkeit auch der geduldigsten Begier, sie zu enträtseln, getrotzt hatte, erloschen in vertraute Verwandtschaft. Ungestraft, mit restlos empfangendem Blick vermochte nun das Auge einzutauchen in den Grund von allem, was da war. »Nun? Und wie steht es?«
    Verschlossen im Augenblick ward Moritzens Miene. »Ich sah auf Ihrem Tische Livius und Plutarch liegen?«
    Zwischen den Steineichen an der warmen Mauer zückte ein Zweig der japanischen Mispel seine Dornen. In beide Hände nahm Goethe diesen Zweig. »Es ist und bleibt die einzig richtige Methode,« antwortete er, das Auge durstig eingesenkt dem Dorn, »sich jedes eigenen Willens zu entäußern, wenn man das Bild der Welt aufnehmen will. Verläßt man sie, sogleich wird man gestraft!«
    »Also: voraussetzungslos sein, ganz und gar?« Erschrocken streifte ihn Moritz.
    »Natürlich weiß man, wohin man will! So, wie der Trieb da weiß, daß er einmal Früchte haben wird. Aber es nützt ihm nichts, Frucht haben zu wollen . Er stehe geduldig hier auf seinem Keime in der Welt und lasse sich von ihr zur Reife wärmen! Man kann nichts erzwingen. Was kommen muß, kommt; was aber immer nur werden will, kann nicht einmal mit Gewinn sein! Übrigens« – als ob er nur gespielt hätte, leicht, ließ er den Zweig los – »ist das leeres Gerede. Jedes Hirn hat seine eigene Weise! – Sagen Sie: hat man Ihnen schon geantwortet, aus Berlin?«
    »Jedenfalls« – atemlos wich Moritz zum zweitenmal aus – »kommt mein Gehirn mit der Geschichte auf keinen grünen Zweig!«
    »Moritz!« Hellauf lachte Goethe. »Es geschieht doch in der Geschichte gar nichts anderes, als was, unter Umständen, jedem von uns passieren kann? Ich schaue sie durchwegs von mir aus an.«
    »Ja, Sie! Weil alles, was Sie tun, aus einer und derselben Kraft Bewegung zieht: aus Ihnen. Ich habe nur ein Bündel Tangentchen zur Verfügung, die von mir aus nach dem Globus laufen! Aber nicht einen Radius, der das Zentrum trifft.«
    »Weil Sie nicht wissen, wer Sie sind!«
    »Sie wollen uns nur immer trösten!«
    »Und Ihr nur immer mir schmeicheln!

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