Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
Vom Netzwerk:
Ein undisziplinierter Mensch sind Sie!«
    »Ja! Wer mein Blut hat!«
    »Und mir läuft wahrscheinlich Wasser in den Adern?« Zornig fuhr Goethe auf. »Besinnen Sie sich doch endlich auf das, was Sie haben! Und dann mit Händen, Füßen, Zähnen, Nägeln, Haaren festgehalten, was Sie haben! Man wird sonst nichts! Schauen Sie Tischbeinen an! Ich weiß nicht, ob er je ein großer Maler werden wird. Aber Alles, was die Leiter, auf der er klettert, ins Schwanken bringen könnte, hat er rücksichtslos weggewischt aus seinem Armkreis. Und besitzt sich deshalb – als ein Maler! Sie sind der geborene kritische Synthetiker, und wissen das noch immer nicht! Was war und ist, am Richtmaß seines logischen Sinns und seiner Zusammenhänge mit dem Ganzen des Lebens zu einem gegenwärtigen Stein im allgemeinen Lehrgebäude zusammenzuschmelzen, das ist Ihre Gabe!«
    »Zur – Wiedergabe!«
    »Jeder schafft, der den vorhandenen Geist vermehrt!«
    »Der Masse nach?«
    »Geist ist nie Masse! Masse, auf den Geist bezogen, sind Buchstaben! Kritische Synthese aber macht nicht Buchstaben!«
    »Ach! Wenn ich Geschichte studiere, dann kaue ich überkommene Sätze, oder ziehe sie, im besten Falle, aus. Sie hingegen, – aus Ihrer alles und jedes verschlingenden und dann filternden Kraft heraus, die Ihnen Sinn und Zusammenhänge der geschichtlichen Tatsachen lückenlos aufdeckt, schaffen Sie die Weltgeschichte, – dichten Sie die Weltgeschichte ganz einfach noch einmal!«
    Wie das Weltwunder starrte Goethe ihn an. »So? Und wie machen denn Sie es?«
    »Ich?«
    Im selben Augenblick schlug die Uhr von Trinità dei Monti herüber zwölf.
    Eine Minute später läuteten alle Glocken von Rom.
    Scheu lehnten sich die zwei Männer an die Mauer zurück. Gramlos verebbte der rauschende Klang. Umso panischer troff auf die Steine der Stadt, auf die zingelnde Weite nieder das ungeheure Schweigen des Lichts. Tyrannischer Anker der Welt, hing die Sonne im Mittelpunkt des makellosen Himmels. Wollüstig flimmerten die Dächer, die Kuppeln, die Türme, die Obelisken unter dem lautlosen Regen der Strahlen. In schleirigem Hand-in-Hand wanderten die Täler des Landes gegen Norden und Osten mit der goldenen Erde, mit den knospenden Halmen der Hügel hinaus in die silbernen Säume der Ferne. Und als fühlte sie all dies in der Wonne ihrer neugeborenen Säfte, bebte die Krone des Mandelbaums in der Vigna zu den Füßen der zwei Stummen, ihre Äste, vom Winter noch nicht ganz genesen, klirrten, Blüten tauten nieder ins herzoffene Gras, . . .
    Plötzlich schwebte auch sie, reglos und Glanz.
    »Ich habe noch immer keine Antwort aus Berlin!« stieß Moritz wie im Fieber hervor.
    »Vor allem krampfhaften Seinwollen und Wichtignehmen« schaute Goethe, als ob er nicht gehört hätte, hinaus in die magische Feier, »gilt: das vertrauende Wachsenlassen des Elementchens, das man ist. Hie Denkmal, – hie Leben!«
    »Wenn nun – keine kommt!?« fuhr Moritz außer sich auf. »Oder eine, die noch immer nicht verzeiht, nicht versteht? Sondern weiternörgelt und vorwirft?«
    »Dann?« fragte Goethe ohne Rührung.
    Mit tobsüchtigen Fingern riß Moritz ein Ligusterzweiglein vom Strauch und warf es vor sich in den Weg hinein. »Dann reise ich! Was habe ich in Rom zu suchen, wenn mein Herz oben in Deutschland zerbricht? Ich habe nur ein Herz, und ohne Herz keine Welt!«
    Ruhig beugte sich Goethe in die Erde nieder; hob das Zweiglein auf. »Kinder reißen Lebendiges ab und werfen es weg!«
    »Sagen Sie mir lieber, was Sie in meinem Fall tun würden!« raste Moritz ohnmächtig.
    Nach langem, geduldigem Warten: »Gott! Die Welt ist so wunderschön groß und weit!«
    »Aber es ist nicht Jedem gegeben, vergessen zu können!« ^
    Flamme, weiß in der Weißglut des Lichtes allum, schwebte die Krone des Mandelbaums. »Ich glaube nicht, daß ich – in Ihrem Fall –« sagte Goethe in den Glanz hinein, »die Liebe sogleich schon einsargen könnte, wenn – in Ihrem Fall,– keine Antwort käme, oder wieder eine böse. Ich glaube auch nicht, . . .« – er tat einen Schritt von Moritz weg, schickte das Auge mit gezieltem Befehl zur Verstellung hinauf nach der dreieckigen Zacke des Sorakte und schlug es im Felsen ein wie einen Griff auch für Giganten – »glaube auch nicht, daß ich aufhören würde, mich demütigst dankbar dessen zu erinnern, was diese Liebe mir Bleibendes gewirkt hat. Würde auch – ja, gewiß! – da in Rom weiter, wie bisher, für die Unvergeßliche lernen und

Weitere Kostenlose Bücher