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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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lachte Goethe: » Ihr seid die Gelehrten!«
    »Und Sie sind der Künstler!«
    »Fragen Sie Tischbeinen,« – übermütig tippte er auf Tischbeins üppige Krause – »was für ein jämmerlich Blatt ich gestern abend zusammengeschmiert habe!«
    »Dann reden Sie als Dichter!«
    »Als Mensch!« beschwor atemlos Moritz.
    »Als Mensch« – mit glorreich grüßendem Blick durch die Fenster hinaus in die seiende Welt: »Raffael! Und als Dichter . . . .« – da riß eine Fanfarenstimme ihn auf. »Sie ist's!« jubelte Bury und warf sein Brett in den Terrazzo. Musik schien, was da plötzlich türhin schaute, zappelte, in strömende Bewegung kam, zu packen. »Angelica!« lief Reiffenstein. Wie ein Pfeil jagte Bury. »Und als Dichter,« vollendete Goethe ohne Eile im Mitschreiten, »sage ich Dieses: haben die anderen nicht soviel Titanenkampf um das Göttliche in ihrer Brust getragen, daß er sie daran gehindert hätte, immer mehr an das Kunstwerk zu denken, als an sie selber, – Michelangelo hat sich selber schaffen müssen; unerbittlich immer wieder: das Kunstwerk des ringenden Menschen. Und das scheint mir, – o, gnädigste Frau!« Strahlend und aufgetan den Menschen wie noch niemals, seitdem er in Rom war, neigte er sich über Angelicas glückliche Hand. »Sie kommen im richtigen Augenblick! Die Männer sind, bis auf den herdelosen Hirthen, durch die Gnade des Olymps in ihren Herzen einträchtig geworden und wie die Götter bereit, Psychen zu empfangen! Geruhen Sie niederzusteigen zu den Bänken, die der weindurchzitterte Schütz . . . . . Schütz!« rief er laut, zog Angelicas Arm in den seinen und schritt, während die Freunde verblüfft Spalier machten, mit ihr in den Saal herein; »hebe deine entschlafene Leier und stimme das Feierlied an!«
    » Integer vitae, scelerisque purus « gehorchte schwankend, als ginge sie über taumelnden Steg, Schützens betrunkene Leier.
    »Nicht das! Gemäßeres!«
    Schwindelig erhob sich Schütz. Und da sah er die Beiden: des Mannes Antlitz, von der Sonne des geretteten Geistes erloht, auf dem sanften Azur des Kleides, und das vom Innersten her lächelnde der Frau über dem schwarzen Mantel aus Pelz und aus Samt. Und, berauschter noch, den irren Blick aufgeschickt, olympwärts, in die Tafel der Götter, sang er mit Rührung:
    » Laudabunt alii claram
Rhodon aut Mytilenen . . . «
    »Das ist das Richtige! Bravo!« Und umflattert von allen Dämonen des Wagemuts führte Goethe – kopfschüttelnd zogen die Freunde nach – die Frau zu den Bechern hinab. Als er den Arm aus dem ihrigen gezogen hatte, verneigte er sich, ging, – keiner wußte, was nun geschehen sollte – kam mit dem Prunksessel zurück, setzte die Zögernde mit sanftem Gebieten in den Purpur unter dem goldenen Zierat; ging wieder, kam mit dem Schemel zurück, bettete die verschämten Füßchen in den damastenen Polster; ging zum drittenmal, brachte ein Tischchen, stellte es ihr zur Seite auf; und ging nun zum viertenmal, um ihr die Schüsseln zu reichen. Die silberne mit den Orangen; die aus Onyx geschnittene mit den Datteln; die kristallene Schale mit den Feigen. Als er aber, auf goldenem Teller, den von Benvenutos Hand stammenden Becher kredenzte, den er soeben aus dem gekühlten Kruge gefüllt hatte, stieg Schützens Stimme wie frischer Opferrauch in den Olymp hinauf.
    » Mecum saepe viri, nunc vino pellite curas,
Cras ingens iterabimus aecquor! «
    sang er bardisch, – entschlossen trat Goethe von der Thronenden zurück, lud mit flinker Handbewegung die Männer ein, sich im Halbkreis zu setzen, und rückte, während sie gehorchten, für sich selber den Sessel herbei. Dann, nach einem letzten, schelmisch lang wägenden Blick über die ratlos Lächelnden hin, zog er ein kleines Heft aus dem Busen und, indem er sich sehr langsam niederließ, sagte er sehr langsam: »Iphigenie auf Tauris! Urteilen Sie, meine Freunde, ob sich die Griechin, wie ich sie sah, in diesem Saal zeigen darf! – Komm, Fritz, herauf zu mir!« rief er Bury hinab, »setz dich auf die Lehne und sieh mir ins Buch!«
    Und siehe: weiß, aus der Totenstille, trat Iphigenie hervor! Über die Stufen des Tempels, leidend, stieg sie herab in den Hain. Mit unverhüllter Trauer gestand sie Arkas die ewige Wunde des Heimwehs. Klar wie Pallas wehrte sie sich gegen die entsetzt vernommene Werbung für den König. Kaum aber tauchte dieser vor ihr auf, und das Rätsel der Rührung überfiel die ratlose Seele von neuem. Unsicher ward die Miene. Gegen

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