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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Befehle, die unerbittlich in Blut und Herz aufbrachen, rang die Stimme. Sturm schüttelte die lichte Gestalt. Ist nirgends Rettung aus dem Netz der wirr einander leugnenden Gefühle? Erst unter dem Messer des Henkers aber, der mit wohlgezieltem Streich die jahrelang gepflegte Heimatsehnsucht opfern will dem Dank für den Barbaren, gesteht der grause Mund: »Vernimm! Ich bin aus Tantalus Geschlecht!«
    »Bis hieher,« neigte sich anzüglich Tischbein zu Moritzen herab, »ist's immer noch Olymp!«
    Aber schon, tollkühnen Sprungs, sprang die Stimme des Lesers hinab aus dem sanften Wellenspiel der glatten See in die Strudel des Meeres.
    »Du hast Wolken, gnädige Retterin,
Einzuhüllen unschuldig Verfolgte!«
    Voll, aus dem Heft auf, sah er über die Lauschenden hin. Gesenkten Hauptes, über den unberührten Schüsseln, saß die Frau, die den Sturz ihres Frauentums mit der malenden Hand zu überfühlen gelernt hatte. Mit gespannt, hoch und verschlossen in die Decke hinauf gerichteten Köpfen die Männer. Was rauscht jetzt? Was kocht jetzt? Blut! Das uralte Menschenopfer am Skythenstrande, aus männlicher Begier, die sanfte Priesterin zu besitzen, ihr preisgegeben, – kaum daß sie den Besitz versagt hat, wird es wieder eingesetzt! Und wem droht es als Ersten? Den zwei Griechen, natürlich, die die Welle soeben ans Ufer gespült hat! »O süße Stimme! Vielwillkommner Ton,« jauchzt der verzückte Mund, »Der Muttersprach in einem fremden Lande!« Und noch einmal, in rosenrotem Lächeln, schaukeln die schönen Leiber Raffaels durch seine blaue Götterluft; nur Anmut! Doch schon klärt Pylades die Ergriffene unumwunden auf: »Da trennte bald der Streit um Reich und Erbe die Geschwister! Ich neigte mich zum ältsten; er erschlug den Bruder!« – und, sieh: die Götterluft ergraut, die Leiber schrumpfen ein, ihr Lächeln stirbt!
    »Es wird charakteristisch!« zwickte Hirth den Hofrat Reiffenstein.
    Ja! Weiter: Blut und Blut! Aus dem drohenden Rauch des wiederaufgelegten Menschenopfers, dem Rauch des Bruderbluts, das Pylades fast stolz bekannt hat, steigt, hart heraufgerufen dem geweckten Geist, anstatt der Heimat jede Bluttat des unseligen Hauses zu Mykenai. Und wie die Dämpfe dieser ungezählten Morde schon den Himmel auslöschen, Flur der Erde zum Tartaros, Schuld zur Wiegengabe, Verzweiflung zum Brot verfluchter Menschheit machen, – erst noch der Dunst des sühneheulenden Bluts von Klytaimnestre! Was nützt es dem verhüllten Auge nun, den Bruder zu erkennen? Was dem bedrohten Herzen, wimmernd Liebe zu empfinden vor diesem blutigen Kranz von blutigen Wahrheiten? Er hat die Mutter erschlagen! Und ich soll ihn opfern! Und schreit er nicht, zerbissen von den Furien, daß ich's tun soll?
    »Ist nicht Elektra hier, damit auch sie
Mit uns zugrundegehe, nicht ihr Leben
Zu schwererem Geschick und Leiden friste?
Gut, Priesterin! ich folge zum Altar:
Der Brudermord ist hergebrachte Sitte
Des alten Stammes . . . .«
    Wie aber, wenn sie Thoas folgte? Orestes damit vom Opfer löste? Darauf verzichtete, selbst heimzukehren, – als seine Mörderin! – nur damit er selber . . .?
    Dann blieben – wie vor der Gorgo wird ihr Leib zu Stein – doch immer noch die Schlangen der Erinnyen!
    »Das griechische Maß, die Beschränkung des Kunstmittels gegenüber dem Gegenstande,« flüsterte Moritz feuerwangig hinauf zu Tischbein, »wunderbar gewahrt!«
    »Und welche – heitere Eleganz!!« Mit Hohnblick Hirth zu Meyern.
    »Die Mutter fiel!« Wie Eisenschwertaufsetzen auf blutgedüngte Fliesen klang es.
                    »Tritt auf, unwillger Geist!
Im Kreis geschlossen tretet an, ihr Furien,
Und wohnet dem willkommnen Schauspiel bei,
Dem letzten, gräßlichsten, das ihr bereitet!«
    Und der Olymp versank! Die Helle im Saal dahin! Weg das Lebendige aus allen Hirnen der gefügten Welt, die vor den Fenstern sich mit grauen Nebeln umzog! Der Ölbaum schritt, die schweren Wurzeln durch die Bleiche schleppend, in wüstenferne Öde. Die Lorbeerbüsche hauchten Finsternis von Gräbern. Mit bangen Armen strebte Psyche, von welken Kränzen wie von Dornenfingern von den Göttern weggerissen, den Göttern nach, die rücksichtslos, mitsamt dem falschen Amor, auf schwarzer Wolke aus den Bildern flohen. Ausgeträumt der viel zu schöne Traum auf den armseligen Wangen. Noch einmal, heldenhaft, tat er sich Zwang an, wiederzuerstehen, den Pfeil, der in der Brust schon wühlte, zu verachten. Umsonst! Als dieser Wille kraftlos dumm erlag,

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