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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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ist nach ihm keinem wieder gelungen, und neben ihm selbst Raffael nicht so wie ihm!«
    Bellend hustete Reiffenstein. »Und das kann ich nicht zugeben!«
    »Sie freilich!« Nicht mehr zu halten war Hirth. »Denn Sie sind durch Eide gebunden! Wenn es nach Ihnen ginge, gäbe es nach Raffael nur noch die Carracci und Mengs!«
    »Michelangelo ist ungezogen!«
    »Und die Kunst wahrscheinlich eine Gouvernante!«
    »Er ist maßlos, zügellos, undiszipliniert!«
    »Und das erträgt ein Preuße nicht!«
    Bissig riß Reiffenstein das Kinn in die Luft. »Es gibt Gesetze in der Kunst, die keiner ungestraft übertritt! Wenn nicht einmal mehr die Kanones der Antike in der Kunst gelten sollen, dann kommen wir zum Banditismus der Temperamente, und damit zur Anarchie der Dilettanten! Es hat kein Geringerer als Winckelmann selber geschrieben: Der Ausdruck war bei den Griechen der Schönheit gleichsam zugewogen; die Schönheit aber die Zunge an der Wage des Ausdrucks, und die vornehmste Absicht! Gegen diese Absicht nun, scheint mir, läßt sich auch heutzutage . . .«
    »Nichts anderes einwenden,« unterbrach prompt Hirth, »als daß Mengs, der erweislich keine andere hatte, zum Einschlafen langweilige Bilder gemalt hat. Ist etwa Michelangelo langweilig?«
    »Ist er schön, frag ich dagegen?«
    »Ich pfeife auf Schönheit! Charakteristik will ich haben!«
    »Und die haben die Griechen nicht? Und Raffael auch nicht?«
    »Aber es war Michelangelo, gerade wenn er von den Griechen lernte, nicht verboten, im Charakteristischen weiter zu gehen, als sie gegangen waren! Kein Gesetz der Welt konnte ihm das untersagen!«
    »Winckelmann sagt . . . .«
    »So hören Sie doch mit dem ewigen Winckelmann auf!«
    Beschwichtigend gegen die zwei Streitenden hob Meyer die Hände. »Die Standpunkte, die sich da befehden, lassen sich vereinigen! Winckelmann sagt nirgends, daß die Schönheit in der Kunst . . .«
    Ungesäumt brach er ab: Goethe kam über den Terrazzo zielgerecht auf ihn zu. Sofort ward Hirths Miene wie die des Wildes, das den Jäger spürt; dieser wohlgesetzte Minister paßte akkurat zu dieser Bruderschaft blutloser Dogmatiker! Während Reiffenstein den gelehrigen Schüler im himmelblauen Gewande ahnte. »Ist es nicht, Exzellenz,« bog er sich ehrerbietig Goethen entgegen, »wenn man diesen jauchzenden Olymp sieht nach dem ›Jüngsten Gerichte‹, als käme man verschmachtet auf die saftige Weide, wo Nektar und Ambrosia bereitstehen?«
    » Pone sub curru nimium propinqui klimperte da Schützens wiedererwachte Laute hanswurstig herauf,
    » Solis in terra domibus negata,
Dulce ridentem Lalagen . . .
Lalagen . . .
Lalagen . . . «
    »Er ist vollkommen betrunken!« lachte Tischbein; er hatte es für den gegebenen Augenblick gehalten, mit Moritzen heranzutreten; vieldeutig blinzelte er zurück. »Bury kopiert, wie er versichert, die Galle der Venus, und Schütz opfert Baccho! Wie er irdisch macht, der heilige Raffael!«
    Aber Goethe stand schon bei Meyern. »Sie sind von mir unterbrochen worden,« sagte er wie ein verlegener Junge. »Möchten Sie mich nicht profitieren lassen?«
    »Wir streiten,« lachte Hirth gewandt, »wer der weniger miserable Künstler gewesen: Michelangelo oder Raffael? Nachdem ja die Griechen schon einmal in den Orkus gefahren sind!«
    »Herr Hirth ist eben Epikuräer!«
    Fast um warf Hirths jupiterales Lachen Reiffensteins erschrockene Gestalt. »Und Sie sind Papier!«
    »Ich habe niemals geleugnet, daß der eine wie der andere . . .«
    »Im Gegenteil!« Nicht im mindesten genierte sich Hirth. »Sie leben davon, den einen auf Kosten des andern in den Mist zu werfen!«
    »Herr Geheimerat!!« Weiß im Gesicht floh Reiffenstein zu Goethen. »Gönnen Sie uns den Vorzug, Ihre Meinung zu äußern!«
    »Ich habe keine,« lachte Goethe unschuldig. Und, trotzige Flamme auf einmal im Blick, liebkoste er die Grazie der Fabel in den Paradiesen von Farbe, während der Brief unterm himmelblauen Tuch sich verzweifelt zu wehren begann. »Ich finde nur, es ist schön hier! Heiter! Wohlig! – Lebendig!«
    »Sehen Sie!« frohlockte Reiffenstein.
    »Ich habe alles gehört« wandte sich Goethe unaufhaltsam zu Meyern zurück. »Ihre letzten Worte waren: Winckelmann sagt nirgends, daß die Schönheit in der Kunst . . . . . .«
    » . . . ausdrucklos sein müsse,« gehorchte Meyer ohne Pause. »Er nannte nur eben die Stille denjenigen Zustand, der für die Schönheit der eigentlichste sei. Diese, von allen einzelnen

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