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Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut

Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut

Titel: Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Köstering
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das Letzte,
was ich jetzt wollte. »Also gut, von mir aus …«, murrte ich.
    »Tja, ist schon ein schweres Schicksal,
sich mit ’ner arbeitslosen Ossi-Tante duzen zu müssen.«
    »Warum sind Sie eigentlich immer
so sarkastisch?«, fragte ich.
    »Na, was soll ich denn sonst sein?
Erst bescheißt einen der eine Staat, dann der andere.«
    »Moment mal, Sie können doch nicht
die DDR und die Bundesrepublik in einen Topf werfen!«
    »Ha, da hab ich den Wessi erwischt!«,
rief sie triumphierend. »Hab ich die heilige Kuh Bundesrepublik angegriffen?«
    »Jetzt rede doch nicht so ’n Mist!«,
platzte ich heraus.
    »Sieh da, langsam kommst du ja auf
mein Sprachniveau runter!«, grinste sie.
    Ich fühlte die Hitzewelle von meinem
Hals immer höher steigen. Und ich wusste genau, was Benno in diesem Moment zu mir
gesagt hätte: Wieder einmal dein Lieblingsthema. Beruhige dich und hör endlich damit
auf, deine Kindheit aufzuarbeiten! Das hatte er mir schon mehrmals vorgehalten.
Er, der weit mehr Gründe hätte als ich, seine Kindheit aufzuarbeiten. Wie war ich
nur schon wieder in das Ost-West-Thema hineingeschlittert? Sogar auf einem Beerdigungskaffee
… Ich musste einlenken.
    »So war es auch nicht gemeint«,
antwortete ich, »trotzdem war die DDR ein Unrechtsstaat, das sollten wir bei all
den positiven Dingen, die es gab, nicht vergessen.«
    »Ein Unrechtsstaat , sieh
da! Was das wohl bedeutet? Wir haben gelebt, geliebt, gelernt und gelacht, was war
daran wohl unrecht, Herr Klonschaf-Wilmut?«
    Kein Gedanke mehr an Einlenken.
    »Genauso habt ihr aber auch gehorcht
und geguckt, gezwungen und eingeschränkt, hirngewaschen und – getötet. Allein an
der Berliner Mauer 136 Mal!« Ich hatte so laut gesprochen, dass die Plauderanonymität
wieder aufgehoben wurde und alle zu uns herübersahen. Karola schien es zu genießen.
    »Wir?«, fragte sie provozierend.
»Ich? Hanna?«
    Ich schüttelte den Kopf über meine
eigene Dummheit. Diese fürchterliche Verallgemeinerung, die ich bei anderen so hasste
– jetzt war ich ihr selbst erlegen.
    »Natürlich nicht alle«, sagte ich
kleinlaut. »Der Begriff Unrechtsstaat ist vielleicht etwas unglücklich, aber
trotzdem …«, ich hob meinen Kopf, »ist die DDR bestimmt kein Rechtsstaat gewesen!«
    Sie schwieg. Gut, dass Frau Büchler
das alles nicht mitbekam. Die Bedienung brachte frischen Kaffee, den ich auch dringend
brauchte.
    Nach ein paar Minuten hatte ich
mich wieder gefangen. »Denk nur mal an den verstorbenen Herrn Büchler. Er wurde
gezwungen, in die SED einzutreten, sonst hätte er seinen Beruf als Deutschlehrer
nicht weiter ausüben dürfen. Und er hat es tatsächlich gemacht. Später hat er sich
fürchterlich darüber geärgert, sich selbst angeklagt, sich Vorwürfe gemacht, konnte
kaum noch schlafen. Zum Glück – so möchte man fast sagen – konnte er sich irgendwann
nicht mehr daran erinnern.«
    Sie nickte. »Kenne ich, war ja Alltag
in der DDR, aber noch gar nichts gegen meinen Vater.«
    Ich sah sie fragend an.
    »War ein ganz scharfer SED-Kader
– und heute?«
    »Und heute?«
    »CDU-Mitglied!«
    Ich hob die Augenbrauen. »Wirklich?«
    »Klar. Ein opportunistisches Arschloch!«
    »Mit deiner Familie scheinst du
ja einige Probleme zu haben.«
    »Ja, mit allen. Außer mit Hanna.
Sie hat immer versucht, zwischen mir und meiner Mutter zu vermitteln. Hat sie gut
gemacht, aber wir beide wollten nicht. Und Hanna ist nicht feige. Sie kann Stellung
beziehen.«
    »Na, da hab ich ja Glück gehabt.«
    »Stimmt. Und wie bist du? So wie
Hanna?«
    »Finde es doch heraus.«
    »Mach ich. Auf jeden Fall hast du
dir schon mal ein paar Gedanken gemacht. Das ist gut. Leider die falschen, ha, ha,
ha!« Ein tiefes, raues Lachen quoll aus ihrem Mund.
     
    *
     
    Der hagere Mann saß in einem Eiscafé schräg gegenüber dem Weimarer
Nationaltheater. Er trank einen Kaffee. Vor ihm lag ein kleines, schwarzes Notizbuch.
    Er wusste, dass sein Leben an einem
kritischen Punkt angekommen war. Keinen einzigen seiner Träume hatte er verwirklichen
können. Und obwohl er noch relativ jung war, sah er keine Chance mehr, irgendeinen
Traum wahr werden zu lassen. Sie hatten ihm alles genommen, seine Familie, seine
Arbeit, seine Handlungsfreiheit. Kein leuchtendes Proletariat, keine blühenden Landschaften.
Sein Gesicht erhielt Züge von Bitterkeit. Er wusste, dass er aus dem Gleichgewicht
geraten war. Aber er wusste auch, wer daran Schuld hatte.
    Das Notizbuch wurde mit einem eigens
dazu angebrachten

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