Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut
eine Weile vor mich
hin, unfähig zu antworten.
»Hendrik?«
»Ich war noch nie in dieser Wohnung!«
Meine Stimme klang schrill. »Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, ich hätte den
Mann umgebracht?«
»Ich denke, du hältst jetzt besser
den Mund.«
Wir fuhren zum Weimarer Polizeipräsidium
am Rathenauplatz. Siggi führte mich durch die verwinkelten Flure des alten Gebäudes,
das aus der NS-Zeit stammte. Die beiden Uniformierten begleiteten uns, es wurde
nicht geredet. Zunächst erfolgte eine ›erkennungsdienstliche Behandlung‹, wie Siggi
das nannte. Meine Fingerabdrücke wurden genommen, obwohl die ja offensichtlich schon
vorhanden waren, meine persönlichen Daten aufgenommen und Fotos für die Verbrecherkartei
angefertigt. Mein Foto zusammen mit den Visagen von Mördern und sonstigen Schwerkriminellen
in derselben Kartei – unfassbar! Endlich erreichten wir den Vernehmungsraum: nüchtern,
graubraune Wände, ein Tisch, Stühle, Telefon, ein Mikrofon. Nichts, was vom Zweck
des Aufenthalts in diesem Raum ablenken konnte. Wenigstens war der Raum hell erleuchtet.
Ich fühlte mich sehr unwohl. Zum Glück hatten sie mir keine Handschellen angelegt.
Ich bekam Kaffee und Mineralwasser.
Kaum hatte ich mich gesetzt, wurde
die Tür aufgerissen. Ein etwa 30-jähriger Mann stürmte herein, nach hinten gekämmte
Gel-Haare, irgendein Boss-Armani-Lacoste-Shirt, italienische Schuhe.
»Was ist denn hier los?«, fragte
er in den Raum hinein.
»Das ist KOK Meininger«, sagte Siggi
in meine Richtung.
»Sie haben ihn ja schon geholt«,
rief Meininger.
»Allerdings!«, antwortete Siggi.
Kriminaloberkommissar Meininger
verzog sein Gesicht. »Ohne Handschellen?«
»Wie Sie sehen, ist er hier angekommen.«
»Ich übernehme ihn.«
»Natürlich«, antwortete Siggi, nicht
mehr ganz so ruhig, und ging zur Tür. Er hatte mir vor ein paar Wochen erzählt,
dass Kommissar Hermann, mit dem er viele Jahre gut zusammengearbeitet hatte, zum
LKA nach Erfurt versetzt worden war und ihm stattdessen ›so ein junger Schnösel
aus Berlin‹ als Mitarbeiter zugeteilt wurde. Ich hatte mir damals den Namen nicht
gemerkt. Die Tür fiel ins Schloss.
Ich wackelte auf meinem Stuhl hin
und her, unentschlossen, ob ich aufstehen oder sitzen bleiben sollte.
Meininger bemerkte das. »Bleiben
Sie sitzen, Herr Wilmut!«
»Was ist denn los?«, fragte ich.
»Das geht Sie zwar eigentlich nichts
an«, antwortete er betont gelassen, »aber damit Sie es gleich wissen, Ihr Freund
Dorst wurde von dem Fall abgezogen, wegen Befangenheit.« Damit setzte er sich mir
gegenüber, schickte einen der beiden Uniformierten hinaus und wies den anderen an,
auf dem Stuhl neben der Tür Platz zu nehmen.
»Eigentlich war ich von Kriminalrat
Lehnert beauftragt worden, Sie festzunehmen, Dorst ist mir zuvorgekommen. Ich werde
das melden müssen.«
Ich grinste. »Tun Sie das.«
»Herr Wilmut, Ihnen wird vorgeworfen
…«
»Ich weiß, was mir vorgeworfen wird.
Ich soll einen Mann aus Tiefurt ermordet haben, das hat mir Sig… also Herr Dorst
bereits erklärt. Sagen Sie mir lieber, was das soll, das ist doch absurd, ich kenne
diesen Fedor Balow überhaupt nicht und habe in seiner Wohnung auch keine Fingerabdrücke
hinterlassen!«
Meininger lächelte mildsüß. »Hat
er Sie über Ihre Rechte aufgeklärt?«
»Ja, natürlich hat er das, also,
was ist nun?«
»Wollen Sie einen Anwalt?«
»Weiß ich noch nicht, sagen Sie
mir erst mal, wie Sie auf diese hirnverbrannte Idee kommen!«
Er drehte das Mikrofon zu mir herüber.
»Ich weise Sie darauf hin, dass diese Vernehmung aufgezeichnet wird. Ich bin verpflichtet,
Ihnen das zu sagen.«
Er wollte mich zappeln lassen, das
war klar, mich schon vorab weichkochen. Nicht mit mir. »Vielen Dank für den Hinweis.«
»Bitte sehr!«
Ich sagte nichts.
Er sah mich spöttisch an. »Es sieht
nicht gut aus für Sie.«
Ich reagierte nicht.
Meininger ließ sich davon nicht
aus dem Konzept bringen. »Woher wissen Sie eigentlich von den Fingerabdrücken? Von
KHK Dorst?«
Ich nickte.
Meininger hob die Augenbrauen. »Dazu
war er nicht berechtigt.«
»Quatsch, Sie hätten mir das jetzt
sowieso gesagt. Außerdem war er auch nicht dazu berechtigt, mich ohne Handschellen
hierher zu bringen.«
»Ahaa …«, sagte Meininger gedehnt,
»damit bestätigen Sie also, dass KHK Dorst vertrauliche Ermittlungsergebnisse an
Sie weitergegeben und Sie entgegen der Dienstvorschrift ohne Handschellen hierher
gebracht hat?«
Ich schwieg.
»Bestätigen Sie
Weitere Kostenlose Bücher