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Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut

Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut

Titel: Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Köstering
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Sie
zögerte einen Moment. »Es gehört zwar nicht hierher …« Sie sah Meininger an.
    »Das kommt natürlich nicht ins Protokoll«,
sagte er.
    Sie drehte sich wieder mir zu. »…
aber Sie machen den Eindruck, als interessiere Sie das tatsächlich. Das Einzige,
was mich am heutigen Deutschland wirklich stört, sind die Waffenexporte. Wir sind
der drittgrößte Waffenproduzent weltweit. Und die meisten Politiker, die das unterstützen,
regen sich gleichzeitig über die Mauertoten auf!«
    »Das mit den Waffenexporten stimmt«,
sagte ich langsam »aber dieser Vergleich, ich weiß nicht …«
    »Ach, meinen Sie, direkter Mord
an der Mauer sei schlimmer als indirekter Mord, der durch kapitalistische Raffgier
entstanden ist? Fragen Sie mal die Mütter der Toten …«
    Ich wusste nicht, was ich antworten
sollte. Und sie forderte keine Antwort. Das Gesagte stand im Raum und verlangte
weder nach einer Klarstellung noch nach einem Gegenargument.
    »Mein Bruder hat sich übrigens sehr
darüber geärgert, dass er nicht an den Montagsdemonstrationen teilgenommen hat.
Manchmal hatte ich sogar den Eindruck, dass er sich selbst dafür gehasst hat.«
    Da tauchte es wieder auf, dieses
Wort: Hass.
    »Und Sie? Waren Sie bei den Montagsdemonstrationen?«
    »Ja, ich war einmal dabei, in Leipzig,
zusammen mit etwa 30 anderen Rollstuhlfahrern aus dem Bezirk Erfurt. Rico hat mir
das hoch angerechnet. Er meinte, das sei gefährlich, weil ich nicht einfach so wegrennen
könne, wenn etwas passiert. Aber auf Behinderte schießt niemand.«
    »Sicher?«
    »Ja, auch die Vopos sind Menschen.«
    Ich war beeindruckt. Meininger wurde
unruhig, die Zeit drängte.
    »Wir suchen noch einige Antworten«,
wechselte ich das Thema.
    »Das stimmt«, schaltete sich Meininger
ein, »zum Beispiel ist der Mord an Daniel Baumert noch nicht geklärt, wissen Sie
etwas darüber?«
    »Daniel, ja, Daniel Baumert, er
ging mit mir zur Schule, wir waren ein unzertrennliches Trio, Daniel, Jasmin und
ich.«
    »Welche Jasmin?«, fragte ich sofort.
    »Jasmin Birken.«
    »Aha«, triumphierte Meininger, »Ihr
Bruder wollte Jasmin …«
    »Ist gut, Meininger, jetzt nicht
…«
    Er sah mich beleidigt an.
    »Es geht jetzt um Daniel Baumert«,
sagte ich, »erzählen Sie uns bitte mehr von ihm.«
    »Er war ein fröhlicher, unkomplizierter
Typ, was manchmal aber dazu führte, dass er Problemen aus dem Weg ging, vor ihnen
weglief. Wie bereits erwähnt, das geht auf Dauer nicht gut.«
    »Was waren das für Probleme, zum
Beispiel?«, fragte ich.
    »Na, beispielsweise das Problem
Claudia Holzgrewe. Rico kannte sie aus der Schule, war damals wohl verknallt in
sie. Sie ging dann mit ihren Eltern in den Westen. Später, nach der Wende, hat sie
Daniel kennengelernt. Claudia war ernsthafter, sie hat Probleme angepackt und ausdiskutiert.
Von daher hätte sie besser zu Rico gepasst. Aber so kam es nicht. Sie war mit Daniel
zusammen, bis Claudia Depressionen bekam, die Hintergründe kenne ich nicht. Daniel
hat sie verlassen, mit so etwas konnte er nicht umgehen. Rico hat mir das vor ein
paar Tagen erzählt.«
    »Und dann hat Claudia Holzgrewe
sich das Leben genommen.«
    »Stimmt, woher …?«
    »Na, wir machen eben auch unsere
Arbeit«, erwiderte Meininger.
    »Könnte es sein, dass Ihr Bruder
Daniel Baumert dafür bestrafen wollte?«, fragte ich.
    Sie sah mich erstaunt an. »Ich weiß
nicht … also, Sie meinen, er hat auch Daniel …«
    Ich nickte. Sie begann zu weinen.
    »Das werden wir ihm schon noch nachweisen!«,
tönte Meininger. Das Wort ›einfühlsam‹ schien dieser Mann nicht zu kennen. »Übrigens,
hatte Ihr Bruder irgendwann einmal Kontakt zu einem Schlachthaus, einer Metzgerei
oder Ähnlichem?«
    Sie riss die Augen auf. »Was meinen
Sie, was soll das …«
    »Beantworten Sie doch bitte einfach
meine Frage, sonst nichts!«
    Die Tränen liefen ihr herunter.
»In den Schulferien hat er ab und zu bei den Weimarer Wurstwaren in Nohra gearbeitet,
hat sich etwas Taschengeld verdient, mehr weiß ich nicht.«
    Ich gab ihr ein Papiertaschentuch.
»Das reicht, vielen Dank. Wir müssen jetzt gehen«, sagte ich.
    Sie warf mir einen dankbaren Blick
zu. »Kann ich noch etwas …?«
    »Ja, Frau Grüner, Sie können noch
etwas für mich tun. Die Perlenkette«, ich zeigte auf ihren Hals, »ist die zufällig
ein Geschenk Ihres Bruders?«
    Ich merkte, wie es ihr den Hals
zuschnürte. Sie nickte.
    »Sie gehört Hanna … Frau Büchler.
Meiner Verlobten. Ein Geschenk ihrer Mutter.«
    Ohne ein Wort zu

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