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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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zum Glück als kreative Flexibilität interpretiert. Und ich war froh darüber.

     
    Ohne Frühstück fuhr ich gegen 6 Uhr los. Als ich den Rasthof Herleshausen erreichte, hatte ich einen Riesenhunger, hielt aber nicht an der Raststätte, sondern gegenüber an einem schottischen Feinschmecker-Restaurant. Dort genehmigte ich mir einen Riesenburger mit Cola, eine Apfeltasche und einen großen Erdbeershake. Danach fühlte ich mich wesentlich besser und konnte den Rest der Strecke ausführlich über die neue Situation des Falles nachdenken. In der Nähe von Gotha rief Benno an und teilte mir mit, dass die Sitzung in seinem Besprechungsraum in der Schwanseestraße stattfinden werde. Das war mir sehr recht, so musste ich nicht erst in dem riesigen Gebäude des Polizeipräsidiums herumirren. Trotz lebhaftem, teils zähem Verkehr schaffte ich es, pünktlich zu sein. Genau um 8.50 Uhr betrat ich Bennos Büro.
    Als Erstes traf ich Benno und Siggi. Sie begrüßten mich freundlich und stellten mir Kriminalrat Göschke vor. Siggi freute sich offensichtlich, mich zu sehen und machte mich mit seinem Kollegen Kommissar Hermann bekannt. Neben ihm saß ein eher unauffälliger Mann, der Polizeipsychologe. Martin Wenzel war ebenfalls anwesend. Kurz danach humpelte zu meinem großen Erstaunen Onkel Leo herein, in Begleitung eines mir unbekannten Mannes, von dem ich vermutete, dass es Oberbürgermeister Gärtner sein musste. Ich hatte recht. Onkel Leo stellte mich dem Oberbürgermeister vor, und ohne große Umschweife wurde die Sitzung eröffnet. Benno fungierte als Sitzungsleiter. Gärtner, direkt neben ihm sitzend, schien ihm voll zu vertrauen. Zur Linken des Oberbürgermeisters hatte Onkel Leo Platz genommen, dann folgten Wenzel und ich. Auf der anderen Seite des ovalen Tisches befanden sich die drei Kriminalisten und der Polizeipsychologe.
    Bennos schwarze Haare und sein Vollbart waren wie immer gut geschnitten, er trug einen grauen Anzug mit Weste und eine rote Krawatte. Seine feste, überzeugende Stimme erfüllte den Raum mit Hoffnung und Entschlossenheit. Die Anwesenden hörten ihm aufmerksam zu.
    »Guten Morgen, meine Damen und Herren«, begann er. »Ich danke Ihnen auch im Namen des Oberbürgermeisters, dass Sie hier erschienen sind, um an der Expertensitzung der Sonderkommission JWG teilzunehmen. Ungewöhnliche Ereignisse erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Dies möchte ich als Motto für unsere Arbeit verstanden wissen. Was immer Sie zur Lösung des Falles beitragen können, bitte stellen Sie es zur Diskussion. Wir werden es aufnehmen und gemeinsam beraten.«
    Er machte eine kurze Pause, um seine Worte wirken zu lassen. Diese Zeit nutzte Martin Wenzel für eine Zwischenfrage: »Wo ist eigentlich Herr Blume?«
    Dessen Abwesenheit war mir bis jetzt völlig entgangen.
    Oberbürgermeister Gärtner hob den Kopf. »Mein persönlicher Referent hat ein anderes wichtiges Projekt übernommen und steht uns für diesen Fall nicht mehr zur Verfügung«. Er sprach in einem Ton, der signalisierte, dass das Thema hiermit beendet sei.
    Ich sah Benno an, dem ein kaum wahrnehmbares Lächeln übers Gesicht huschte. Ich war beeindruckt. Offensichtlich war eine Veränderung in ihm vorgegangen. Der leicht resignierte Politiker der letzten Tage schien sich in einen entschlossenen Krisenmanager verwandelt zu haben. Ich registrierte es mit großer Erleichterung, weil es eine gewisse Last von meinen Schultern nahm, die ich im Moment nicht in der Lage war zu tragen.
    »Weiterhin möchte ich Ihnen Herrn Leo Kessler vorstellen. Er ist mein Vorgänger und aufgrund seiner langjährigen Erfahrung im Krisenmanagement habe ich ihn gebeten, unsere Expertenkommission zu unterstützen.« Gärtner deutete mit der Hand in Richtung Onkel Leo. Seine Worte trafen den Nagel auf den Kopf, Onkel Leo hatte für Weimar die größte denkbare Krise überhaupt gemeistert: den Zusammenbruch der DDR und den Übergang in ein neues Gesellschaftssystem.
    Diejenigen, die Onkel Leo kannten, nickten anerkennend. Gärtner gab Benno ein Zeichen fortzufahren. Die Atmosphäre war äußerst geschäftsmäßig und professionell, keiner sagte ein unnötiges Wort.
    »Zunächst möchte ich nochmals die Geschehnisse der letzten beiden Tage zusammenfassen, damit alle auf dem neuesten Informationsstand sind«, fuhr Benno fort, »ist das in Ordnung?«
    Alle stimmten zu.
    »Vorgestern wurde aus dem Großen Sammlungszimmer eine kleine Bronzestatue mit dem Titel ›Italienische Venus‹ gestohlen.

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