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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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würden, um die historischen Exponate zu schützen. Stellen Sie sich vor, wir müssten vor der UNESCO-Kommission eingestehen, dass wir zögerlich gehandelt haben. Ich bin für die Schließung. Wir sollten der Bevölkerung und der Presse allerdings einen triftigen Grund nennen. Zum Beispiel eine Renovierung in Vorbereitung auf das Europäische Kulturjahr 1999.«
    Die Abstimmung endete sieben zu eins für eine zeitweise Schließung des Weimarer Goethehauses. Ich hatte sehr gemischte Gefühle, denn die Zustimmung war keinem von uns leichtgefallen, doch insgesamt war ich erleichtert, dass es voranging.
    Wenzel dagegen zeigte sich verärgert. Seine sonst äußerst korrekt sitzende Krawatte war verrutscht, mehrmals fuhr er sich mit der Hand durch sein graues Haar. Wahrscheinlich sah er durch diese drastische Maßnahme sein Lebenswerk gefährdet und wollte nicht erkennen, dass es im anderen Fall einer weitaus größeren Gefahr ausgesetzt war. Er lief wie ein Tiger unruhig im Zimmer hin und her, blickte immer wieder aus dem Fenster und wollte sich nicht zu uns an den Tisch setzen. Um an sein Fachwissen zu appellieren forderte Enno ihn auf, das gestern gestohlene Stück näher zu beschreiben. Er setzte sich zwar nicht wieder, hielt aber zumindest in seinem Umherwandern inne und postierte sich hinter seinem Stuhl. »Es ist eine italienische Venus, eine Bronzestatuette auf einem Holzpostament. Sie ist relativ klein, circa 15 Zentimeter hoch und stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, genauere Angaben sind nicht bekannt. Im Gegensatz zu vielen anderen Statuen, die Goethe als Kopie anfertigen ließ, hat er diese aus Italien mitgebracht, es handelt sich also um ein Original. Sie befand sich ganz links im mittleren Fach des Sammlungsschrankes im Großen Sammlungszimmer. Mehr wäre dazu nicht zu sagen.«
    Meine Überlegungen von gestern hatten sich also bestätigt: wieder ein Original. Das Goethehaus war voll von Kopien, aber der Dieb hatte es nur auf die Originale abgesehen.
    »Welchen Wert hat diese Statue?«, fragte Kommissar Hermann.
    »Nun, wissen Sie, ebenso wie alle anderen gestohlenen Exponate ist der ideelle Wert wesentlich höher einzuschätzen als der Materialwert. Das einzig Greifbare ist der Versicherungswert, der für die Bronzestatuette genau ähm …«, er setzte sich und blätterte in seinen Akten, »… genau 10.000 DM beträgt!«
    »Na, wenigstens sind wir gut versichert«, meinte Gärtner sarkastisch.
    »Gut«, resümierte Benno, »dann hätten wir dieses Thema geklärt. Nächster Tagesordnungspunkt: Was geschieht mit dem Goethemuseum während der Schließung? Irgendwelche speziellen Maßnahmen, Aktionen?«
    Kommissar Hermann meldete sich zu Wort: »Zunächst sollte die Soko alle Tatorte nochmals genau untersuchen, besonders das Sammlungszimmer. Fingerabdrücke, Haare, Wollfasern und so weiter, Sie wissen schon – das volle Programm.«
    »Einverstanden. Sonst noch was?«
    »Entschuldigung«, begann ich, »es klingt vielleicht albern, aber …«
    Benno unterbrach mich sofort: »Hendrik, bitte, ich habe ausdrücklich gesagt, alle Ideen sind willkommen. Also, raus damit!«
    Ich hätte einwenden können, dass der Oberbürgermeister in diesem Punkt Martin Wenzel aber ganz anders behandelt hatte. Doch dazu war die Zeit zu kostbar. »Gut, ich frage mich, ob die Außenhautsicherung des Museumsgebäudes wirklich perfekt ist oder könnte der Täter trotz verschlossener Türen weitermachen?«
      »Was meinst du dazu?«, fragte Benno in Siggis Richtung.
    »Nach meinem Ermessen kann niemand von außen in das Gebäude eindringen. Die Alarmanlage ist in Ordnung, die Firma, die sie installiert hat, haben wir überprüft, alles sauber. Da habe ich keine Bedenken.«
    »Wir sollten trotzdem auf Nummer sicher gehen«, warf Onkel Leo ein. »Können wir das Gebäude nicht zusätzlich überwachen lassen?«
    Der Kriminalrat schien nicht begeistert. Siggi versicherte, dass er von der Sonderkommission JWG einen Mann abstellen könne. Daraufhin erklärte sich Göschke bereit, einen zweiten Beamten zu organisieren, zunächst befristet für eine Woche. Für eine Überwachung rund um die Uhr brauchten wir aber vier Personen, je zwei im Wechsel.
    Die zündende Idee kam von Martin Wenzel: »Die meisten meiner Angestellten sind während der Schließung des Museums sowieso ohne Aufgabe, zwei davon könnten jeweils zusammen mit einem Polizisten den Wachdienst übernehmen.«
    Ich war verblüfft. Das war der erste brauchbare Satz, den

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