Goetheruh
kein Schweinegrunzen sondern die Titelmelodie von Mission Impossible, die der junge Mann mit den grünen Haaren mir eingestellt hatte. Zunächst konnte ich das Geräusch gar nicht einordnen, doch dann drehte ich mich um.
Hanna hielt meine Hand fest. »Bitte geh jetzt nicht dran!«
Unschlüssig blieb ich stehen. Mission Impossible erklang zum zweiten Mal. Sie ließ meine Hand nicht los. Nur widerwillig folgte ich ihrem Wunsch. Mission Impossible ertönte ein drittes Mal, dann sprang die Mailbox an.
»Wenn es aber nun etwas Wichtiges ist, wegen des Falls – du weißt schon …«
»Der Fall kann doch mal einen Abend ruhen, oder?«
»Sag das mal dem Täter.« Ich stand unter einer enormen inneren Anspannung und konnte nichts dagegen tun.
»Wie du meinst«, sagte Hanna resignierend und ließ meine Hand los. Sofort rannte ich zum Handy.
Die Nachricht kam von Siggi. Sie hatten einen Tipp aus der Hehlerszene erhalten.
»Ich komme gleich!«, rief ich über die Schulter zu Hanna und wählte Siggis Nummer.
Er meldete sich prompt.
»Was für ein Tipp ist das?«, fragte ich.
»Bardo trifft sich morgen früh in Großkochberg mit einem wichtigen Mann aus der Hehlerszene. Und es soll sich um sehr wertvolle Kunstgegenstände aus einem kürzlich verübten Raub handeln.«
»Wer ist Bardo?«
»Das … kann ich dir nicht sagen«, antwortete er zögerlich.
»Na schön, dann komme ich nicht mit.«
»Meine Güte … er ist mein wichtigster Informant, das muss aber streng geheim bleiben.«
»Okay. Und Bardo ist so eine Art Künstlername?
»Könnte man so sagen.«
»Wann?«
»Morgen früh um 7 Uhr. Wir müssen uns allerdings heute Abend mit ihm und einem seiner Kumpel treffen, der weitere Details hat. Ich möchte gerne, dass du mitkommst, um zu klären, ob sich die Fahrt nach Großkochberg lohnt.«
»Ja, aber doch nicht gerade heute Abend!«
»Warum?«
»Hanna ist hier …«
»Oh!«
Einige Sekunden herrschte Stille.
»Bring sie doch mit!«
»Echt?«
»Aber Hallo!«
»Gut, holst du uns ab?«
»Bin in zehn Minuten da.«
»Wo fahren wir hin?«
»Oberweimar, eine kleine Kaschemme an der Ilm, keine noblen Klamotten, bitte.«
»Geht in Ordnung, bis gleich.«
Als ich mich umdrehte, war Hanna verschwunden.
Einen Moment lang überlegte ich, ihr nachzulaufen. Doch dann beschloss ich, sie zunächst in Ruhe zu lassen. Trotz dieses Fauxpas blieb ich innerlich recht gelassen. Ich liebte sie und war mir sicher, dass sie sich wieder beruhigen würde.
Schnell zog ich mir ein paar Klamotten an. Jeans, Turnschuhe, ein graues T-Shirt und eine alte, abgewetzte Lederjacke, die ich von meinem Vater geerbt hatte.
Als ich unten auf der Hegelstraße ankam, fuhr Siggi gerade vor. Er war in seinem Dienstwagen unterwegs, einem schwarzen Passat. Das war sicher klüger als in einem roten Alfa Romeo vor einer drittklassigen Kaschemme aufzutauchen.
»Hat Hanna keine Lust mitzukommen?«
»Nein«, antwortete ich einsilbig.
Siggi begriff und fragte nicht weiter nach. Wir nahmen die Belvederer Allee stadtauswärts, bogen dann links ab Richtung Oberweimar, überquerten die Ilm und fuhren in Richtung Taubach. In der Nähe der Kipperquelle lenkte Siggi den Wagen rechts auf einen schmalen Feldweg. Dieser führte uns direkt ans Ilmufer. Nach ungefähr hundert Metern erreichten wir ein kleines, dunkles Gebäude, dem der Begriff Kaschemme zur Ehre gereicht hätte. Zwei Fahrzeuge standen vor dem Haus, nur spärliches Licht drang durch die Fenster. Siggi parkte in sicherer Entfernung. Beim Näherkommen entpuppte sich das Gebäude mit dem zugehörigen Gelände als eine Mischung aus Einsiedlerhof und Schrottplatz. Im Inneren schienen alle nur möglichen Vorurteile den Weg ins reale Dasein gefunden zu haben. Schummrig, rauchig, schmutzig und unfreundlich – mit einem Wort: widerwärtig! Ich folgte Siggi mit langsam emporsteigender Übelkeit an einen Tisch im hinteren Teil des Gastraums nahe den Toiletten. Wenigstens hatte ich es nicht weit, falls ich mich übergeben musste. Wir setzten uns den beiden Männern gegenüber. Keiner stellte sich vor, Namen waren hier nicht von Belang, eher sogar unerwünscht. Der eine hatte ein schmales, blasses Gesicht und war komplett in Blau gekleidet, ich vermutete, dass es Bardo war. Der andere passte hervorragend zur Umgebung: schmutzig, unfreundlich und abstoßend. Sein Alter war schwer zu schätzen, es mochte zwischen 40 und 60 liegen. Seine Haare hingen in langen, fettigen Strähnen herunter. Jedes Mal, wenn sie
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