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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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einnahm. Etwa 15 Minuten später klingelte Kommissar Hermanns Handy. Sein Kollege schien ihm recht ausführlich einige Neuigkeiten zu berichten.
    »Wir müssen in den Keller, kommen Sie mit?«, fragte er mich.
    »Ja, natürlich«, antwortete ich. »Desiree, bitte halten Sie sich zur Verfügung, sie kennen den Verdächtigen sehr gut, vielleicht brauchen wir Sie zu einem späteren Zeitpunkt!«
    Wir stiegen in einen Aufzug und fuhren nach unten. Kurz bevor das Fenster in der Aufzugtür von der Schachtwand verdeckt wurde, meinte ich, einen Schatten zu sehen, den Schatten eines dünnen Mannes. Bilder ziehen durch das Gedächtnis und verschwinden wieder. Der Keller dieser psychiatrischen Anstalt war kein Ort, an dem man gerne leben oder sterben würde. Ein penetranter, muffiger Geruch durchzog alle Räume, der Umzug in den Neubau war dringend notwendig. Von der Küche aus kam man direkt in einen Kellerraum, in dem alte Küchengeräte und Möbel aufbewahrt wurden. Hier lagerten auch Konserven. Hermanns Kollegen hatten ein großes Regal zur Seite gerückt. Dahinter gab es in Schulterhöhe ein Gitter, hinter dem eine Öffnung in der Mauer auszumachen war. Das Gitter war nicht verstaubt, im Gegenteil – es war penibel sauber. Hermanns Kollegen berichteten, das sie es bereits auf Fingerabdrücke untersucht hatten – ohne Ergebnis. »Wo kommt man dort hin?«, fragte ich.
    »In das Kanalsystem.«
    Ich war beeindruckt. Jens schien viel auf sich zu nehmen, um seine wirren Vorstellungen von einer heilen Welt in die Tat umzusetzen. Er scheute sich nicht vor Küchenarbeit und Kanalgeruch.
    Hermann telefonierte mit Siggi und sie beschlossen, eine Kriminalbeamtin als Küchenhilfe einzuschleusen. Die Kollegin würde sich freuen über diesen exquisiten Arbeitsplatz. Ich gab Hermann ein Zeichen, dass ich auch mit seinem Chef sprechen wollte.
    »Siggi, pass auf, ich habe mich mit der Ärztin von Jens Gensing unterhalten. Sie meint, dass der Schlüssel zu seinem Verhalten möglicherweise in seiner Kindheit zu finden ist.«
    »Möglicherweise?« Er klang ziemlich skeptisch.
    »Ja, ja, jedenfalls hat Desiree …«
    »Wer, bitte?«
    »Na, die Ärztin …«
    »So, so, also Desiree. Ist sie nett?«
    Ich ging etwas beiseite, um nicht alle Polizeikollegen mithören zu lassen. »Ja, Siggi, sie sieht sogar sehr gut aus, aber darüber wollte ich jetzt nicht mit dir sprechen.«
    »Nein?«
    »Nein!« Ich atmete tief ein und aus. Er lachte.
    »Bitte, Siggi! Sie hat keine Möglichkeit, Nachforschungen anzustellen, und Felix und Anna sind offensichtlich nicht sehr kooperativ. Kannst du nicht mal ein bisschen recherchieren?«
    »An was denkst du denn da so?«
    »Alles über die Familie Gensing in den 80er-Jahren, die Schulzeit von Jens, seine Freunde, seine Onkel und Tanten, Großeltern, mögliche Konflikte und dergleichen, du weißt schon …«
    »Das hört sich aber nach wesentlich mehr an als nur nach ›ein bisschen recherchieren‹, dir ist sicher klar, dass wir voll beschäftigt sind.«
    »Ja, aber …«
    »Bist du sicher, dass das was bringt?«
    »Nein, ehrlich gesagt nicht, deswegen wollte ich das Ganze auch nicht als offizielle Anfrage laufen lassen.«
    »Ahaaa!« Siggi lachte. »Na gut, mal sehen, eventuell musst du mir bei der Auswertung der Daten helfen.«
    »Gerne! Wichtig ist, überhaupt erst mal Daten zu bekommen.«
    »Gut, ich frag mal Ella.«
    »Wer ist Ella?«
    »Na ja, ein Mädel aus dem Archiv.«
    »Aha«, sagte ich mit provozierend neutraler Stimme. »Ist sie nett?«
    »Na und ob sie nett ist. Außerdem sieht sie sehr gut aus. Doch darüber wollte ich jetzt gar nicht mit dir reden.« Ich konnte förmlich durch die Telefonleitung hören, wie er grinste.
    »Wenn du magst, suche ich dir ein schönes Gedicht heraus, das kannst du dann in ein kleines Büchlein schreiben und Ella schenken.«
    »Ach, das würdest du machen?« Seine Freude klang echt.
    »Na klar!«
    »Super, vielen Dank!«
    »Ich habe zu danken!«
    »Wie – für was?«
    »Na, für die Gensing-Recherche.«
    »Ach ja, die hatte ich schon fast vergessen.«

     
    Die dritte Expertensitzung der Sonderkommission JWG sollte morgen, am Mittwoch, um 10 Uhr stattfinden. Heute Abend war ich mit Hanna verabredet, wir wollten ins Kino gehen. Immerhin hatten wir eine der vielen Fragen beantwortet – wir wussten nun, wie Jens aus der Psychiatrie entwischt und wieder hineingekommen war. Richtig zufrieden war ich allerdings noch nicht.
    Zu Hause angekommen, sah ich das Täterprofil durch,

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