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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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in sein Bierglas fielen, suchte ich mit verstohlenem Blick die rettende Toilettentür.
    Siggi bestellte eine Cola, ich entschied mich für einen Nordhäuser Doppelkorn. Zum einen war der gut für meinen Magen, zum anderen schützt etwas Hochprozentiges am besten vor möglichen Keimen.
    Siggi sah Bardo an: »Und, was ist jetzt?«
    »Ja, Moment, Meister!«
    Ich hasse es, wenn mich jemand mit Meister anredet. Siggi offensichtlich auch.
    »Pass auf, erstens bin ich nicht dein Meister , und zweitens wollen wir nicht mehr Zeit als nötig in diesem … Laden hier verbringen, also los jetzt!«
    »Gut, gut!«, meinte Bardo und hob beschwichtigend die Hände. Dann drehte er sich zu seinem Kumpan um und sagte: »Hey, Ede, jetzt kannste ma befidalen!«
    Zuerst nahm ich an, mich verhört zu haben, doch dann bemerkte ich, dass dies eine Art Aufforderung zum Reden zu sein schien.
    »De Schval kommt oft hier zu sein Klunde, schwächt sein Fusel un holcht dann hortig in de Ballert. D’ Schickses kenne den all hier.«
    Ich traute meinen Ohren kaum. War das Deutsch? Extrem-Thüringisch? Eine ausländische Sprache? Ich warf Siggi einen ratlosen Blick zu.
    »Das ist Rotwelsch!«, flüsterte er.
    »Rotwelsch?«, wisperte ich zurück.
    »Eine Gauner- und Diebessprache aus dem Mittelalter, wird in diesem Milieu auch heute noch gesprochen.«
    Ich glaubte, in einer anderen Welt gelandet zu sein. Es war doch gut, dass Hanna nicht mitgekommen war.
    »Und was heißt das nun?«
    »Der Kerl … der Halunke – oder so ähnlich – kommt oft hier her zu der … Zuhälterin, trinkt was und haut dann ab in den Wald. Die Mädels von der Zunft kennen ihn alle.«
    »Ach so, ein Bordell ist das hier auch noch?«
    »Na, schau dich doch mal um!«
    Offensichtlich war ich eine Spur zu naiv, um alles zu registrieren, was sich vor meiner Nase abspielte. »Und hierher sollte ich Hanna mitbringen?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Anders hätte ich dich doch nie herlocken können!«
    »Stimmt!«
    »Na also.«
    »Was heißt hier ›Na also‹?«
    »Dann war’s doch richtig so!«
    »Drecksack!«
    »Selber Drecksack!«
    »Prost!«
    »Prost!«
    »Und weiter?«, rief Siggi seinem Gegenüber zu.
    Bardo stieß seinem Kumpel kurz in die Rippen. Der schlürfte an seinem Bier und lutschte das restliche Gebräu von einer klebrigen Haarsträhne ab, die ins Glas gefallen war. Ich schloss kurz die Augen.
    »De ein Schickse …« Er zeichnete mit den Händen einen üppigen Frauenkörper nach.
    »Ja, ist ja gut!«, unterbrach ihn Siggi.
    »… de ein Schickse hatem en Geflitter getschornt, denkt’s is ’n Plan für Kieschen!«
    Ich wartete auf Siggis Übersetzung.
    »Eines der Mädels hat dem Typ ein Papier geklaut, weil sie dachte, es sei eine Schatzkarte oder so was.«
    Bardos Strähnenbierkumpel hielt ein zusammengefaltetes Blatt hoch. Ich wollte danach greifen. Lachend zog er es zurück.
    »Leim!«
    »Er will Geld«, meinte Bardo.
    »Warum in aller Welt heißt Geld nun Leim?«, raunte ich Siggi zu.
    »Geld ist das, was die Welt zusammenhält!«
    »Aha, aber woher wissen wir, dass die Information auf dem Zettel auch einen Wert für uns hat?«
    »Bardo!«, sagte Siggi streng.
    Bardo wandte sich seinem Kumpel zu. Sie schoben sich mehrmals unter dem Tisch verschiedene Geldscheine zu und murmelten unverständliche Worte. Es sah aus wie eine Mischung aus Hütchenspiel und Offiziersskat. Endlich, nach ungefähr zehn Minuten, schienen sie sich handelseinig zu sein.
    »120 Mark«, flüsterte Siggi mir zu.
    »Na, das geht ja noch.«
    »Eigentlich bräuchte ich dafür eine Quittung.«
    »Die wirst du hier wohl kaum bekommen.«
    »Nein, sicher nicht.«
    Siggi gab Bardo das Geld. Der zählte es nach und gab es dann seinem Kumpel, völlig selbstverständlich, ohne irgendein Anzeichen von Scham oder schlechtem Gewissen, als stünden wir gerade an der Kasse eines Supermarkts. Langsam schob der Strähnenlutscher den Zettel zu mir rüber. Erst als er ihn in der Mitte des Tisches losgelassen hatte, griff ich langsam aber zielstrebig danach. Siggi gab sich völlig unbeteiligt. Ich faltete den Zettel langsam auseinander.
    Mir war sofort klar, dass sich die 120 DM gelohnt hatten. Es war eine Liste mit den gestohlenen Gegenständen aus dem Goethehaus. Genauer gesagt: Es war eine Kopie der handschriftlichen Liste, die Martin Wenzel für die erste Sitzung der Expertenkommission angefertigt hatte. Sozusagen das Zeugnis meiner ersten Konfrontation mit diesem Fall.
    »Wir fahren nach

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