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Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Titel: Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Köstering
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große
Unbekannte?«
    »Was für
ein Unbekannter?«
    »Seit
Wochen schreiben die Zeitungen hier von einem Unbekannten, den Pia Ross als
ihren Nachfolger aus einer anderen Stadt nach Frankfurt holen will. Alle warten
gespannt. Und für die Zeitungen ist er jetzt schon der Sieger der OB-Wahl.«
    »Tatsächlich
…« Mein Magen verkrampfte sich. Welch eine Chance für Benno. Auf dem
Silbertablett serviert von Reinhardt Liebrich und Pia Ross. Konnte man so etwas
ablehnen? Wohl kaum. Ich musste mir etwas einfallen lassen.
    »Hast
du einen neuen Kalender?«, fragte Mutter.
    »Nein,
warum?«
    »Dieser
Bunte da, neben deinem Handy …?«
    »Ach
ja, der gehört einer Studentin, hat sie bei mir vergessen.« Ich musste wohl
recht lange auf den Kalender gestarrt haben.
    »Kann
ich dir helfen?«, fragte sie vorsichtig. Ohne Druck. Ohne Neugier.
    »Ach
ja, es ist nur … ich wollte mich auf keinen Fall in diese Pajak-Geschichte
reinziehen lassen, und jetzt bin ich schon fast mittendrin. Dieser bunte
Kalender dort ist der Entscheidungspunkt. Ich hätte nicht hineinsehen dürfen.«
    »Du
hast in einen fremden Kalender geschaut?«
    Ich
fühlte mich ertappt. »Ja, habe ich.«
    »Aber
Junge … na ja, hab ich auch schon mal gemacht.«
    Ich
grinste. »In meinen Kalender?«
    »Nein,
in den von Edith, die kennst du von gestern, sie hat deinem Bubensolo Kontra
gegeben, so ein Quatsch!«
    »Aber
deswegen hast du nicht in ihren Kalender gesehen, oder?«
    »Nein,
sie vergisst immer ihre Termine, Zahnarzt und so, ich helfe ihr dann. Sie weiß
aber nicht, dass ich spicke, kleine Notlüge. Wir müssen uns doch helfen, hier
in unserer Wohngemeinschaft.«
    »Ja,
das stimmt. Vielleicht kann ich auch jemandem helfen mit meiner kleinen …
Indiskretion.«
    »Das
kann ich nicht beurteilen, das musst du selbst wissen.«
    Da war
sie wieder. Mutter Hedda mit ihrem Beistand, aber ohne Beeinflussung meiner
Entscheidungen. Konnte man sich eine bessere Mutter wünschen?
    »Hendrik,
hörst du mir noch zu?«
    »Natürlich,
entschuldige. Das muss ich auch selbst entscheiden. Wahrscheinlich braucht mich
Siggi, aber es fällt mir schwer, immer wieder muss ich an die Zeit in der
Untersuchungshaft denken.«
    Sie
legte behutsam die Hand auf meinen Arm. »Die Frage ist doch: Läufst du diesmal
wieder Gefahr, zu Unrecht verdächtigt zu werden, oder ist das kein Problem?«
    Manchmal
kann das Leben so einfach sein.
    »Mutter,
was soll ich nur machen, wenn du irgendwann einmal nicht mehr da bist?«
    Sie
lächelte. »Dann hast du ja noch Hanna. Und ein paar Erinnerungen an mich. Ich
habe schon einen Karton für dich gepackt.«
    Ich
nickte und nahm ihre Hände. Augenblick, verweile doch, du bist so schön!
     
    In der ersten Vorlesungspause
nahm ich mir Stefanie Feinerts Kalender erneut vor. Natürlich war ihre eigene
Telefonnummer nicht darin vermerkt. Also blätterte ich weiter und fand einen
rot markierten Jan mit einem Herzchen daneben. Jan war sofort am Apparat und
wollte dafür sorgen, dass Steffi mich umgehend zurückrief. Keine zwei Minuten
später klingelte mein Mobiltelefon. Stefanie Feinert bedankte sich für meine
Rückmeldung. Da sie heute keine Vorlesung hatte und meine Sehnsucht nach
Kantinenessen nicht sehr ausgeprägt war, verabredeten wir uns kurzerhand im
Café Karin, im Großen Hirschgraben. Ob ich wisse, wo das sei, fragte sie. Ich
musste schmunzeln. Ja, diese Adresse war mir bekannt.
    Auf dem
Weg dorthin erinnerte ich mich an meinen letzten Besuch in dieser Straße. In
Goethes Elternhaus. Der frühere Leiter des Goethehauses hatte mich einmal in
den Keller sehen lassen, der für die Öffentlichkeit eigentlich nicht zugänglich
war. Die großen Gewölbe beherbergten zu Goethes Zeiten eine stattliche Menge
von Weinfässern. Als Frau Aja – wie Goethes Mutter oft genannt wurde – nach dem
Tod ihres Mannes das Haus verkaufte, fiel immerhin ein Drittel des Kaufpreises
auf den Weinkeller. Für mich war dies ein Indiz dafür, dass Goethes
Weinaffinität weniger mit der Wein-Einreibung zu tun hatte, mit der ihn seine
Großmutter angeblich kurz nach der Geburt ins Leben geholt hatte, sondern eher
mit der selbstverständlichen Verfügbarkeit des Weins und seinem
gesellschaftlichen Stellenwert innerhalb der Familien Goethe und Textor.
    Stefanie
Feinert hatte bereits einen Cappuccino vor sich stehen. Als sie mich erblickte,
stand sie auf. »Hallo, Herr Dr. Wilmut.«
    »Hallo,
Frau Feinert.«
    »Können
Sie mich bitte Steffi nennen? Das tun alle

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