Götter der Lust
in Grenzen hielt, musste er doch einräumen, dass Dionysos ein Musterbeispiel männlicher Vollkommenheit darstellte. Allein die Größe seines Phallus war geeignet, jede Frau zu befriedigen.
Myles weigerte sich dennoch, Minderwertigkeitskomplexe zu entwickeln. «Und trotzdem ist sie nicht da.»
Der Gott starrte ihn mit dem durchdringenden Blick seiner grünen Augen an. «Aber Ihr wisst auch nicht, wo sie sich aufhält», erklärte er mit einem erfreuten Lächeln auf seinen wulstigen Lippen.
«Sie war schon immer eine selbständige Frau», konterte Myles achselzuckend. Er kannte ihr unabhängiges Wesen – eine Eigenschaft, die er mit ihr teilte, auch wenn ihm diese Erkenntnis momentan nicht weiterhalf.
«Sie wird schon noch zu mir kommen», meinte der Gott mit einer derart triumphalen Selbstsicherheit, dass Myles sich unwillkürlich umdrehte, um nachzusehen, ob Abby vielleicht gerade die Leiter herabstieg.
Aber sie kam nicht.
Falls er blieb, bestand die Gefahr, dass der Gott ihn seinem Willen unterwarf. Er würde Abby keine Hilfe sein, wenn er selbst zur Marionette würde. Wollte er wirklich sehen, wie Abby hierherkam und sich dem Gott ohne jede Rücksicht auf ihn, Myles, in die Arme warf? Ihr Überlaufen schmerzte ihn schon so genug.
«Ich will dann mal nicht länger stören.» Myles verneigte sich und ging, äußerlich gelassen, von dannen, auch wenn das dröhnende Gelächter des Gottes ihn zusammenzucken ließ.
Oben im Tempel angekommen, fand er zwei nackte Schönheiten vor, die bereits auf ihn warteten. Waren es dieselben, mit denen er in der Nacht erwacht war, in der er Abby an den Gott verloren hatte?
Es spielte keine Rolle – solange sie ihm nur dabei halfen zu vergessen.
Er streckte beide Hände aus, die Handflächen nach oben gekehrt. «Meine Damen?», gurrte er.
Jede gab ihm eine ihrer Hände, und er zog ihre weichen, erregenden Körper an sich, bevor er erst die eine und dann die andere ausgiebig küsste.
Denk nicht an sie. Denk einfach nicht an sie.
Er setzte sein verführerischstes Lächeln auf. «Wollen wir uns nicht ein bequemeres Plätzchen suchen, meine Damen?»
Er ließ sich von den kichernden Frauen aus dem Tempel in einen schattigen Kiefernhain führen, wo der Boden mit den abgefallenen Nadeln der mächtigen Bäume bedeckt war.
Die eine Frau – sie hatte langes pechschwarzes Haar – ließ sich auf den weichen Boden sinken und zog an seiner Hand. Er ließ die zweite Bacchantin los, um einhändig seine Hose aufzuknöpfen, bevor er vor üppigen, willigen Rundungen auf die Knie ging.
Denk nicht an Abby. Denk einfach nicht an sie.
Endlich ließ das Ziehen des Gottes an ihrer Seele nach. Abby blinzelte sich die Tränen aus den Augen und versuchte, trotz des Knebels in ihrem Mund zu atmen. In ihren engen Fesseln schmerzte ihr ganzer Körper bis auf die Knochen.
Ihr bis dahin rasender Herzschlag beruhigte sich. Die Sehnsucht nach Dionysos, ihr unerträgliches Verlangen nach ihm und die Unfähigkeit, zu ihm zu eilen, hatten ihren Körper an den Rand der Erschöpfung gebracht. Jeder einzelne Muskel strebte zu ihm, und die Fesseln schnitten in ihre Haut. Der Schmerz der unerfüllten Sehnsucht raubte ihr den Atem, während sie gefesselt dasaß und sich fühlte, als bräche ihr gleich das Herz entzwei.
Was hatte das alles zu bedeuten? Würde sie sich aus Dionysos’ Klauen befreien können, wenn sie dem Ruf des Gottes nur lange genug widerstand?
Elaine und Demetrios traten ein. Gegen ihre Fesseln ankämpfend, warf Abby ihnen finstere Blicke zu. Wo hatte die Tochter des Herzogs gelernt, derart feste Knoten zu binden? Obwohl ihr ganzer Speichel sich in den Knebel gesogen hatte, stieß sie einen erstickten Schrei aus.
Elaine strich ihr über die Wange. «So, so – Ihr seid also gar nicht Mrs. Hardy.»
Abby verdrehte die Augen. Wusste eigentlich schon jeder hier Bescheid? Sie schüttelte den Kopf und zuckte vor Elaines Berührung zurück.
Elaine beugte sich vor, bis ihr Gesicht dicht vor dem von Abby schwebte. «Aber Ihr wollt ihn, nicht wahr?», flüsterte sie.
Abby versuchte zu schlucken. Selbst wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre, hätte sie auf diese Frage nicht geantwortet.
Elaine stand lachend auf. «Ihr seid eine arme Närrin, denn Ihr macht Euch etwas vor. Ein Myles Hardy geht nie eine festeBindung ein. Bald verschwindet er aus Eurem Leben genauso schnell, wie er hineinspaziert ist.»
Dann wandte sie sich ab und sank ihrem Satyr in die Arme. Beide fielen aufs
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