Götter der Lust
Mädchen, das hier zu schlafen pflegt.»
«Du kennst die Familie?»
Er zog ein Abdecktuch beiseite und setzte sich auf einen spindeldürren Stuhl aus Kirschbaumholz. «Ja, ich habe es darauf angelegt, ihre Bekanntschaft zu machen.»
«Du würdest anscheinend alles dafür tun, dieses … dieses Ding zu finden.» Abigail ignorierte das Zimmer und verschränkte die Arme. «Sogar um die Gunst einer zickigen Prinzessin werben, was?»
Er legte die Stirn in Falten. «Dafür, dass du diese Person noch nie getroffen hast, ist diese Beschreibung erstaunlich zutreffend.»
Sie ließ nicht locker und setzte ein triumphierendes Lächeln auf. «Ich habe recht, stimmt’s?»
Myles schaute auf seine locker ineinander verschlungenen Hände hinab. «Jedenfalls waren die Bemühungen vergeblich.» Dann stand er auf und ging auf eine Tür an der Seite zu. «Hier müsste ihr Kleiderschrank sein.»
Abigail setzte sich auf den Stuhl, den er soeben frei gemacht hatte. «Und warum?»
«Warum was?», fragte er stirnrunzelnd. Wieso stürzte sie sich nicht auf all den hübschen Tand, wie alle anderen Frauen es getan hätten? Lag es an ihrem männlichen Aufzug? Gab sie sich lieber maskulin? Er betrachtete sie von Kopf bis Fuß undmusterte ihre schlichtgeschnittene Bluse und ihre nackten Beine.
Es führte kein Weg daran vorbei – Ms. Abigail Deane war einfach nicht wie andere Frauen.
«Warum hast du keinen Erfolg gehabt bei ihr? Ich meine, du bist doch attraktiv und charmant …»
«Sie hat geglaubt, ich sei nur hinter ihrem Geld her», erklärte er mit einer kurzen, ironischen Verbeugung. «Mein Ego muss sich wohl bei dir bedanken. Für Lady Elaine Winterton kam ich jedenfalls nicht in Frage, weil ich nicht reich genug für sie war.»
«Du meinst, sie hat deine wirklichen Absichten nicht durchschaut?»
Er lehnte sich an den Türrahmen. «Kaum einer weiß heute noch, dass dieses Haus einmal meiner Familie gehörte, und Lady Elaine ist nicht gerade sehr belesen.»
Abigail kam auf ihn zu und legte ihm tröstend die Hand auf die Brust. «Tut mir leid», murmelte sie. Sie sah zu ihm auf, und er registrierte verwundert, wie kühl ihr Blick mit einem Mal war. «Glaubst du tatsächlich, mir könnten irgendwelche Kleider von ihr
gefallen
?»
Sie ging an ihm vorbei ins Ankleidezimmer und steuerte direkt auf die großen Truhen und Schränke zu.
«Notfalls wären da immer noch die Kleider ihrer Mutter», zischte Myles verärgert. In ihren kalten, anklagenden Augen lag der Vorwurf, es mit seiner Verführungstaktik auch in diesem Fall nur auf die Statue abgesehen zu haben. Er verfluchte sich selbst für sein idiotisches Verhalten. Warum gab er es nicht einfach zu?
Sie kniff die Augen zusammen. «Danke. Das werde ich mir merken.» Verärgert drehte sie ihm den Rücken zu.
Er trat einen Schritt zurück. Noch nie hatte eine Frau ihnbehandelt, als wäre sie ein höherer Offizier und sein Vorgesetzter. Einen kurzen Augenblick lang fragte er sich, was der Oberst seines alten Regiments darüber denken würde. «Ich warte draußen, bis du weißt, was du anprobieren willst.» Mühsam rang er sich ein Lächeln ab. «Du wirst nämlich Hilfe brauchen, um in diese Kleider zu kommen.»
Abby wartete, bis Myles gegangen war, und ließ sich dann auf die nächstbeste Truhe sinken. Sie stützte den Kopf auf ihre Hände. Sie hatte ja schon vermutet, dass er bei alledem seine Hintergedanken gehabt hatte, und sie hatte es ihm sogar auf den Kopf zugesagt, aber nun war endgültig klar, dass es stimmte: Myles Hardy brauchte sie nur wegen ihrer Kenntnis des Hauses, ihrer Pläne und der Zukunft.
Nicht um ihrer selbst willen. Selbst ihr Körper war nur eine willkommene Zugabe.
Aber nicht mit ihr. Sie hatte solche Typen schon mehr als einmal durchschaut und in die Wüste geschickt, auch wenn sie noch so gut ausgesehen hatten. Warum sollte es bei Myles Hardy anders sein?
Auf den Fingernägeln kauend, dachte Abby über ihn nach. Sie hatte geglaubt, dass sie nicht mehr so leicht rumzukriegen sei, aber Myles hatte sie eines Besseren belehrt. Trotz ihres Misstrauens hatte sie ihm geholfen.
Seufzend stand Abby auf. Wenn sie nur tief genug in sich blickte, würde sie die Antwort finden. Sie hatte Angst. Sie wusste nicht, wie sie in dieser Welt zurechtkommen sollte, und Myles war ihr einziger Verbündeter. Auch wenn er ein verlogener, hinterhältiger, charmanter Schweinehund war – im Moment war er alles, was sie hatte.
Sie öffnete eine Truhe und dann noch
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