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Götter der Lust

Götter der Lust

Titel: Götter der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia May Hart
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warum die Mauer nicht durchgängig so dick ist.»
    «Vielleicht sind Teile davon früher eingestürzt.»
    «Dann wäre wohl eher die ganze Wand eingestürzt.» Myles zeigte auf eine Stelle unmittelbar südlich der ungewöhnlich dicken Mauer. «Siehst du, wie sie schmaler wird? Ich wette, in dieser Wand ist ein Versteck eingelassen.»
    «Um welches Zimmer handelt es sich?»
    «Um das Studierzimmer.» Myles blickte auf, und Abby registrierte verblüfft, dass er kein bisschen aufgeregt wirkte. «Diesen Raum habe ich bereits untersucht. Da gibt es keine verborgenen Türen oder Geheimgänge; ich habe es überprüft. In meiner Familiengeschichte ist zwar eine Episode über einen Geheimgang überliefert, aber die spielt vor dem Bürgerkrieg. Vielleicht wurde der Gang entdeckt und anschließend zerstört oder aufgefüllt.»
    «Möglich», räumte Abby ein. «Aber es kann doch nicht schaden, noch einmal nachzusehen?»
    Myles blickte aus dem Fenster. «Es wird schon dunkel. Wir heben uns das besser bis morgen früh auf.»
    Abby runzelte die Stirn. «Warum bis morgen warten?»
    Er holte sein kleines Notizbuch aus der Tasche seines Umhangs.«Du wolltest dir doch meine Notizen ansehen? Das Rätsel meiner Großmutter.»
    Abby betrachtete den braunen Einband seines Notizbuchs und ihre Pläne. «Also gut. Rück schon raus.»
    Er runzelte die Stirn über ihre saloppe Ausdrucksweise, ohne jedoch näher darauf einzugehen. Abby hatte den Eindruck, dass er sich allmählich an ihre für ihn seltsame Art zu sprechen gewöhnte. «So, hier kannst du nachlesen, was meine Großmutter zu sagen hatte.»
    Er schlug das Notizbuch auf und blätterte es durch. «Hier ist es», sagte er schließlich, und seine Wangen röteten sich. «Aber allzu viel Sinn ergibt es nicht.»
    Abby verschränkte die Arme. «Ich höre.»
    Myles räusperte sich und wirkte plötzlich wie geistesabwesend. Abby fragte sich, was er wohl gerade sah.
     
    Das Häuschen stank nach Urin und dumpfiger Erde. Seine Großmutter lag auf einer schmalen Pritsche, ihre flache Brust hob und senkte sich nur mühsam.
    «Endlich bist du da», krächzte sie.
    Er kauerte neben ihr nieder, die Stiefel auf dem staubigen und stark verschmutzten Boden. «Tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe, aber man hat mir gesagt, du wärst tot.»
    «Dein Vater hat das nie gedacht», ächzte seine Großmutter. Ihre dunklen Augen waren getrübt.
    «Er ist schon vor vielen Jahren gestorben.» Sie schluchzte auf, und das ließ ihn zusammenzucken. Er hätte wissen müssen, dass sie davon nichts mitbekommen hatte. Er tätschelte tröstend ihre Hand. «Er hat nicht leiden müssen», murmelte er.
    Die alte Frau seufzte. «Und jetzt bist du wegen der Statue gekommen.»
    Er riss die Augen auf. Woher wusste sie das? «Ja.»
    «Sie ist im alten Herrenhaus der Familie.»
    «Ja, ich weiß. Aber sie wurde vor vielen Jahren versteckt. Weißt du, wo?»
    «So lange, so lange her.» Seine Großmutter seufzte. «Du lässt sie besser, wo sie ist.»
    «Aber wieso denn?», fragte er stirnrunzelnd.
    «Sie hat große Macht.»
    Er zuckte zusammen, denn er hasste es, solchen Unsinn von ihr zu hören. «Sie ist aus Stein gehauen. Welche Macht sie auch immer gehabt haben mag – sie starb zusammen mit denen, die an den Gott glaubten, vor vielen Jahren», erklärte er barsch. «Ich muss sie einfach finden.»
    Ihr verschwommener Blick schien schärfer zu werden. «Wozu brauchst du   …?» Ein rasselnder Seufzer drang aus ihren Lungen. «Ah, verstehe. Du willst zu den Auserwählten gehören   …»
    «Ja, ich bewerbe mich um die Aufnahme in die Gesellschaft der Dilettanti   –»
    «Nein!» Sie wehrte ab, und ihre Hand fiel hart auf die raue Decke. «Ein verschlungener Pfad liegt vor dir, mein Kind, ein dunkler und verschlungener Pfad.»
    Myles biss sich auf die Zähne. «Wo finde ich sie?»
    «Suche sie nicht im Sonnenlicht, noch im Schein des Mondes. Suche sie an der Stätte unserer Ahnen.» Seine Großmutter zitterte. «Sie ist verloren, verloren.»
    «Im alten Gutshaus der Familie, natürlich!» Myles rammte die Faust in die Handfläche. «Aber wo genau im Haus? Du hast versprochen, es mir zu sagen, wenn ich alt genug bin.»
    «Sie hat deinem Vater nicht gutgetan, gar nicht gut.»
    «Ich
werde
es schaffen.» Myles drückte ihre Hand so fest,dass sie vor Schmerz aufwimmerte. Er ließ sie wieder los und tätschelte sie beruhigend. «Bitte, Großmutter.»
    «Von der Lust, auf einem irdenen Sockel zu stehen, kehrt er auf die

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