Götter der Lust
geworden, besonders als sie sich alle drei zusammensetzten, um über ihre Erkenntnisse zu sprechen.
Abigail
… Ihr Name erklang in ihrem Kopf wie der Lockruf einer goldenen Stimme. Sie wusste sofort, wer das war. Sie richtete sich auf und blickte sich im Raum um. War er gekommen, um sie zu holen? Oder um diese kostbaren Bücher zu vernichten, die potenziellen Werkzeuge zu seiner Zerstörung?
Ich höre deine Gedanken wie rauschendes Wasser,
sagte Dionysos in ihrem Kopf.
Ich fürchte mich nicht vor derart lächerlichen Versuchen bloßer Sterblicher, mich zu besiegen.
Abby sah sich auf der Suche nach dem Gott so hektisch im Raum um, dass Myles und der Herzog aufblickten.
«Was ist los?» Myles wollte schon besorgt aufstehen, doch der Herzog bedeutete ihm, sitzen zu bleiben.
«Der Gott ruft nach ihr.» Der Herzog schaute aus dem Fenster. «Die Sonne geht unter, und er ruft sein Gefolge, sich gemeinsam mit ihm in Ausschweifungen und Orgien zu ergehen.»
Abby griff nach dem Buch, das vor ihr lag. «Ich will da nicht hin.»
«Geht», murmelte der Herzog. «Es wird nur noch schwerer für Euch, wenn Ihr gegen seinen Ruf ankämpft.»
«Ich könnte sie festhalten», meinte Myles.
Der Herzog dachte kurz darüber nach. «Dann riskiert Ihr, dass sie Euch die Haut abzieht und die Augen auskratzt. Dionysos’ Kreaturen werden zu besessenen Dämonen, wenn man sie daran hindert, seinem Ruf zu folgen.»
«Wenn Ihr so viel wisst», zischte Abby, von der Willensstärke des Gottes zum Aufstehen gezwungen, «wieso könnt Ihr ihn dann nicht aufhalten?»
Der Gott zog an dem unsichtbaren Band zwischen ihnen, und sie rannte aus dem Raum. In ihrem verzweifelten Streben, so schnell wie möglich aus dem Haus und zu ihm in den Tempel zu kommen, stieß sie dabei immer wieder gegen irgendwelche Wände.
Schwitzend und erschöpft fiel sie vor dem liegenden Dionysos auf die Knie. Abby blickte zu ihm auf. «Könntest du mich das nächste Mal vielleicht etwas sanfter rufen? Ich habe mein Kleid ruiniert.»
«Und Durst hast du auch.»
Sie dachte daran, den Samen des Gottes zu trinken, und hegte zugleich den Verdacht, dass dieser Gedanke nicht ihrem eigenen Kopf entsprungen war.
Der Gott grinste, und die vielen Kerzen erleuchteten seinattraktives Gesicht. «Zuerst Wein, den Nektar der Götter, und dann wirst du von mir trinken.»
Abby schluckte und schwor sich, nie mehr ein Sexspielzeug anzufassen, damit nicht noch einmal eines zum Leben erwachte.
«Sexspielzeug?»
Sie hatte vergessen, dass er ihre Gedanken lesen konnte.
Sie nickte. Sie brauchte gar nicht mehr zu sprechen, da der Gott in ihr las wie in einem offenen Buch. Sah er auch die Bilder, die ihr durch den Kopf gingen? Sie versuchte, den Gedanken an die Gelegenheiten zu verdrängen, bei denen sie diese Bilder mit Myles geteilt hatte.
«Myles», knurrte der Gott. «Wann gibst du ihn endlich auf?»
Abby hob das Kinn. «Darf ich mich nicht einmal mehr an ihn erinnern? Sind sogar die Götter eifersüchtig?»
«Was bringen sie eigentlich heute den Leuten in der Schule bei? Hast du noch nie von der legendären Eifersucht der Hera gehört?»
«Wer ist das denn?»
«Die Gemahlin des Zeus.»
«Ach so, dieser Schürzenjäger von einem Gott, der den Frauen in Gestalt eines Schwans oder so ähnlich erschien.» Abby saß im Schneidersitz da und nahm von einer der Bacchantinnen einen Becher Wein entgegen. «Dann bist du also auch einer von der eifersüchtigen Sorte.»
«Ich bin ein großzügiger Gott. Ich gebe einen Teil meiner göttlichen Macht weiter.»
«Du meinst wohl, in Form von Sex?»
«Es ist mehr als nur Sex.»
Abby nippte vom Wein. Eine Beziehungsdiskussion mit einem Gott war nicht unbedingt das, was sie jetzt wollte.Kaum war ihr die köstliche Flüssigkeit durch die Kehle geronnen, starrte sie mit weit aufgerissenen Augen in den schlichten Becher. Sie hatte noch nie so guten Wein getrunken. Er war unbeschreiblich.
Der Gott lachte, doch sein Lachen war nicht das eines notorischen Bösewichts, sondern ein unbeschwertes, freudiges Gelächter. «So hast du nun den Nektar der Götter gekostet, als erste Sterbliche seit über tausend Jahren.»
Sie beäugte ihren Becher nun misstrauischer. «Und was bewirkt das Zeug? Schlägt es mich für alle Ewigkeit in deinen Bann?»
«Das war erst dein erster Schluck.» Dionysos ließ eine Traube in seinen Mund fallen. «Und er schlägt dich nicht in meinen Bann, sondern in den Bann des Getränks und der freudigen Gefühle, die es erweckt.
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