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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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lassen, und mit einer Laterne in der einen und einer Waffe in der anderen Hand war der Abstieg regelrecht gefährlich. Vom Treppenhaus aus gelangte man durch eine Tür auf einem schmalen Absatz zu den einzelnen Geschossen der Bibliothek. So erblickten die Erben erst sechs Stockwerke tiefer die ersten Manuskripte.
    Zwischen dem sechsten und dem siebten Stock stießen sie auf eine Wand aus Büchern, die ihnen den Weg versperrte. Hulsidor fluchte und löste damit hinter dem Hindernis vergnügte Gluckser aus, was ihn nur noch mehr in Rage brachte.
    »Das ist überhaupt nicht lustig! Habt ihr gehört? Das ist albern!«, rief er den Spaßvögeln zu.
    »Ich dachte, man darf sie nicht reizen?«, erinnerte ihn Rey.
    »Die hier sind harmlos«, erwiderte der Rominer immer noch empört. »Es sind Bücherbolde, die sich auf unsere Kosten amüsieren. Aber am meisten ärgert mich, dass sie das Material für ihre Streiche aus meinen Regalen holen! Das sind alles meine Bücher!«
    Rey konnte sich ein beifälliges Grinsen nicht verkneifen. Diese kleinen Possenreißer hatten einen ähnlichen Humor wie er.
    Die Treppe war schnell frei geräumt. Ordentlich aufeinandergestapelte Bücher säumten nun die Wände und
machten den Gang damit noch enger. Vorsichtig setzten die Gefährten ihren Weg nach unten fort.
    Plötzlich kam eine milchigweiße kleine Gestalt aus der Dunkelheit heraufgeschossen. Bevor Hulsidor überhaupt dazu kam, »Passt auf Eure Lampen auf!« zu rufen, waren drei ihrer Laternen ausgeblasen. Mit einem heimtückischen Lachen sauste das Gespenst wieder davon.
    »Ich habe es gar nicht richtig gesehen«, bedauerte Yan, während er seine Kerze an Grigáns Lampe anzündete.
    »Da habt Ihr nichts verpasst. Sie sind potthässlich«, versicherte ihm der Bibliothekar, der über die vielen Angriffe erschrocken war.
    »Wolltet Ihr nicht im neunten Stock vorbeischauen?«, erinnerte ihn Lana kurz darauf, als sie den neunten Treppenabsatz passierten.
    »Ein andermal. Wenn schon die Bücherbolde so munter sind, will ich gar nicht daran denken, wie angriffslustig die anderen erst sein werden. Also drehen wir wie vereinbart eine kleine Runde und machen uns dann wieder aus dem Staub.«
    »Es geht nicht um eine kleine Runde, Meister Hulsidor«, widersprach Corenn. »Wir sind zu Recherchen hier.«
    »Soll das ein Witz sein? Das wollt Ihr doch nicht allen Ernstes tun?«, zeterte Hulsidor. »Nach allem, was Ihr gesehen habt!«
    »Wir haben schon gefährlichere Dinge erlebt«, spottete Grigán, »als einen Haufen Bücher und ausgeblasene Laternen.«
    »Schön, ganz wie Ihr wollt! Schließlich habe ich mich nur dazu verpflichtet, Euch in den elften Stock zu führen. Für Euer Leben garantiere ich nicht.«
    Bis zum besagten Stockwerk wechselten sie kein Wort
mehr. Hulsidor schloss die Tür auf und ging zwischen den Regalen hindurch.
    »Achtung!«, schrie er plötzlich entsetzt auf, als er eine schemenhafte Gestalt erblickte.
     
     
     
    Immer wieder stellte sich Léti auf die obersten Treppenstufen, starrte in die Dunkelheit hinab und lauschte angestrengt. Sie wusste, dass ihre Freunde sehr weit hinuntersteigen mussten und ihre Recherchen eine Weile dauern würden, vielleicht sogar mehrere Dekanten. Die Zeit kam ihr schon jetzt unerträglich lang vor.
    Inzwischen bereute sie, nicht mitgegangen zu sein. Um die Katze machte sie sich wenig Sorgen, und das Tier schien sie nicht zu brauchen. Ganz im Gegensatz zu ihren Freunden, falls sie in Gefahr gerieten. Grigán konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er noch immer angeschlagen war und im Kampf schnell ermüden würde. Also war Rey im Grunde der einzige Beschützer für Corenn, Lana und … Yan.
    Gedankenverloren strich sie über das Medaillon, das Yan ihr geschenkt hatte. Sie wusste immer noch nicht, woran sie bei ihm war. Manchmal war er ihr gegenüber liebevoll und aufmerksam, aber das konnte auch rein freundschaftlich gemeint sein. Dann wirkte er wieder abwesend und kurz angebunden, wie nach seiner Begegnung mit Usul. Und obwohl sie so vielen Gefahren ausgesetzt waren, obwohl jeder Tag ihr letzter sein konnte, bat Yan sie nicht um ihr Versprechen.
    Dennoch ging er, irgendwo tief unter ihr, ein großes Wagnis für sie ein, ebenso wie Grigán, Corenn und die anderen. Da konnte sie nicht herumsitzen und Däumchen drehen. Sie musste dorthin, wo sie gebraucht wurde.
    Die junge Frau ging zurück zu Bowbaq, um ihm ihre Entscheidung
mitzuteilen. Doch dann hielt sie plötzlich inne. Wie versteinert

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