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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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Dyarch« nennen ließ. Sie war die einzige Konkubine, die er nicht als Sklavin hielt. Und die einzige, die seine Berührung länger als fünf Monde überlebt hatte.
    Fünf Monde schon, dachte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Und immer noch nichts.
    Saat war aufgefallen, dass sie über großen Ehrgeiz und einen scharfen Verstand verfügte, und er hatte sie zur Groß-Emaz einer neuen, bis dahin völlig unbekannten Religion ernannt: die Verehrung des Gottes Sombre. Der Bezwinger. Der schwarze Gott der Eroberer.
    Chebree hatte sogleich all ihre Kraft auf diese Aufgabe verwandt und hielt nun bei jedem Aufmarsch der Hauptmänner - die mittlerweile Verkünder genannt wurden - Predigten, Zeremonien und Gottesdienste ab. Nach nur einem Mond war bereits die Hälfte der Armee zu der neuen Religion übergetreten, die verdienstvollen Kämpfern Reichtum und Macht versprach. Und wiederum einen Mond später
begann jeder Tag mit einem Treueschwur der Krieger auf Sombre, seine Verkünder und die Dyarchen.
    Als Nächstes hatte sich Emaz Chebree mit nicht minder großem Erfolg der Bekehrung der Sklaven gewidmet. Allerdings hatten die an sie gerichteten Predigten einen etwas anderen Wortlaut: Sombre war zwar der Gott der Eroberer, aber alle Sklaven, die sich ihm unterwarfen, würden befreit werden, sobald das Zeitalter des Friedens anbrach: die Neue Ordnung.
    Saat war sehr zufrieden mit ihr. Saat, ihr Meister. Saat, der bald die Länder des Ostens und die Oberen und Unteren Königreiche beherrschen würde, ja die ganze bekannte Welt.
    Sie konnte Saat nur eins bieten, um sich seine ewige Dankbarkeit zu sichern. Um an seiner Seite zu herrschen. Um über Leben und Tod der Menschheit zu walten.
    Unwillkürlich legte sie ihre behandschuhte Hand auf den unteren Teil des goldenen Brustpanzers, den sie über dem Kettenhemd trug. Sie dachte an den Mann, der ihr nie sein Gesicht zeigte. Der hohe Dyarch, ihr Meister, der seine Kleidung nur ablegte, wenn es stockfinster war, und dessen Haut ebenso trocken und runzelig war wie die eines verdorrten Apfels. Der Mann mit dem Körper eines Greises und der Kraft eines tuzeenischen Kämpfers.
    Der Mann, der sich nichts sehnlicher wünschte als einen Sohn, den ihm keine andere Konkubine schenken konnte, sei sie nun eine freie Frau oder eine Sklavin.
     
     
     
    Die Herberge, in der es noch wenige Augenblicke zuvor so ruhig gewesen war, wurde nun von einem Tumult heimgesucht, der einem lorelischen Jahrmarkt in nichts nachstand. Die Erben scharten sich um Grigáns leblose Gestalt, während
die Gaukler und selbst die beiden Vagabunden herbeiliefen. Alle sahen Lana und Corenn mit angehaltenem Atem dabei zu, wie sie versuchten, den Krieger aus seiner Ohnmacht zu wecken.
    »Er ist so blass!«, sagte Bowbaq halblaut und erbleichte selbst.
    »Seine Haut ist eiskalt, Corenn«, stellte Lana fest. »Wir müssen ihn ans Feuer bringen und zudecken.«
    Die Umstehenden streckten die Arme aus, um den Kranken zu tragen, doch Bowbaq hatte ihn hochgehoben, bevor die anderen ihn auch nur berühren konnten. Vorsichtig legte er den Krieger vor dem Kamin ab und trat zurück, damit die beiden Frauen ihn untersuchen konnten.
    »Deremïn ist unser Heiler«, warf eine der Kunstreiterinnen ein. »Er ist mit den anderen in der Stadt. Ich werde sehen, ob ich ihn finden kann.«
    Nachdem sie sich hastig ihren Mantel übergestreift hatte, lief die junge Frau hinaus in die Nacht. Sogleich beschloss Léti, sie zu begleiten. Falls nötig, würde sie die Dinge zu beschleunigen wissen. Außerdem konnte sie den Anblick des Mannes, dem sie ihr Leben verdankte - dem im Grunde sie alle ihr Leben verdankten - und der nun gegen eine Krankheit kämpfte, gegen die sie machtlos war, nicht länger ertragen.
    In der Not erkennt man seine wahren Freunde: Obwohl die meisten Gaukler aus Romin stammten und Fremden eher feindlich gesinnt waren, boten sie den Erben sofort ihre Hilfe an und machten Vorschläge zur Behandlung des Kranken. Doch Grigán war kein gewöhnlicher Fall: Es gab kein Mittel gegen die Farikskrankheit, wie ihnen der Heiler in Trois-Rives erklärt hatte. So blieb dem Krieger nur seine eigene Zähheit.

    Die Erben hatten geglaubt, er habe die Krankheit längst besiegt, aber das war offenkundig ein Irrtum gewesen. Grigán litt unter denselben Symptomen wie auf der Heiligen Insel der Guori und in Sapones Haus. Die Krankheit verlief anscheinend nach einem bestimmten Zyklus: Zwischen den Anfällen waren jeweils fünf Tage vergangen. Oder aber

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