Götter der Nacht
sie brach immer dann aus, wenn er aufgrund von ungewöhnlichen Strapazen zutiefst erschöpft war. Jedenfalls war Grigán nicht geheilt.
»Lana, seht Euch seine Augen an«, bat Corenn.
Die Ratsfrau hob ein Lid des Kriegers an. Die Maz beugte sich über ihn, legte den Kopf zur Seite, um nicht vom Feuer geblendet zu werden, und schreckte zurück. Die Umstehenden, unter ihnen Yan und Bowbaq, bestürmten sie mit Fragen.
»Seine Augen …«, sagte Lana und versuchte, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Seine Augen sind rot.«
»Das kommt bestimmt vom Fieber«, sagte Yan und drängte sich zwischen den anderen hindurch, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen.
Tatsächlich leuchte Grigáns Iris, die sonst dunkelblau war, im Licht der Glut tiefrot. Yan bewegte einen Finger vor dem Gesicht des Kriegers hin und her, doch dessen Auge blieb starr. Traurig stand er auf, und Corenn ließ das Lid los, das sich langsam wieder über das Auge senkte.
Yan sah zu, wie seine Freundinnen mehrere Decken, Tücher und Felle, welche die mitfühlenden Gaukler herbeitrugen, über den Kranken breiteten. Er wusste, dass Grigán zum Sterben verdammt war. Usul hatte gesagt: »Er wird sterben, noch bevor ein Jahr vergangen ist.« Aber warum schon jetzt, wo gerade erst eine Dekade verstrichen war? Würde Grigán auch nur die folgende Nacht überleben?
»Haltet ihn fest«, sagte er, einer plötzlichen Eingebung folgend. »Ich will etwas versuchen.«
So sanft sie konnten, ergriffen Bowbaq und Corenn die Handgelenke des Kranken, ohne Yan aus den Augen zu lassen. Der junge Mann kniete sich vor Grigáns Füße, holte tief Luft, packte den Knöchel seines Freundes und verdrehte ihm grob einen Zeh.
Der Krieger wurde von heftigen Zuckungen geschüttelt, trat Yan ins Gesicht und schlug um sich wie ein verschreckter Stehschläfer. Corenn konnte seine Hand nicht länger festhalten, aber Bowbaq gelang es, beide zu packen. Trotzdem brauchte es vier weitere Männer, um die Beine des Kranken auf den Boden zu drücken, bevor sich dieser beruhigte und wieder das Bewusstsein verlor. Grigán hatte seine Freunde nicht erkannt.
»Er wird es überleben«, sagte Yan mit fester Stimme, während er sich Wange und Kinn rieb. »Er gibt nicht auf.«
Corenn, Lana und Bowbaq blickten dem jungen Kaulaner nach, der schweigend davonging. Dass in dem unterkühlten Körper des Kriegers noch eine solche Kraft steckte, ließ sie neuen Mut schöpfen. Auf seiner zwanzig Jahre währenden Flucht hatte Grigán hervorragende Reflexe und einen ausgeprägten Überlebensinstinkt entwickelt.
Natürlich ahnte keiner von ihnen, dass Grigán gegen eine göttliche Vorhersage kämpfte.
Nach einer Weile kehrten Léti und die hilfsbereite Kunstreiterin mit Rey und den Gauklern, die den Abend in der Stadt verbracht hatten, in die Herberge zurück. Als Rey und Léti erfuhren, wie viel Kraft offenkundig noch in dem Kranken steckte, beruhigte sie das nur wenig, da sie seinen Ausbruch
nicht mit eigenen Augen gesehen hatten. Mittlerweile dämmerte Grigán wieder im Fieber dahin.
Der Heiler Deremïn trug sein mit Runen besticktes Gewand und hielt das Zauberbuch mit dem goldenen Einband in der Hand. In diesem Kostüm pflegte er auch mit den anderen Gauklern aufzutreten. Doch obgleich er kein richtiger Magier oder Wunderheiler war, wusste er doch einiges über Verletzungen und Krankheiten. Seine Diagnose machte den Erben jedoch kaum Hoffnung, denn er sagte nur, sie müssten »warten, bis das Fieber sinkt«, Grigán brauche »viel Ruhe« und man solle »alle Aufregung von ihm fernhalten«.
Wenn er Grigán und die Lage der Erben besser gekannt hätte, dachte Corenn, hätte der Rominer über seine eigenen Worte gelacht.
Sie konnten also nichts für den Krieger tun, und inzwischen war es spät in der Nacht. Nach langem Zögern entschuldigte sich Bowbaq bei Nakapan dafür, dass er seinen Affendompteur fortgejagt hatte. Der Koloss zeigte sich nicht im Geringsten überrascht und entschuldigte sich seinerseits. Er hatte Tonk schon am Abend gefeuert, weil er seine ständigen Streitereien mit den anderen Gauklern leid war und der Affendompteur im Wirtshaus randaliert hatte.
»Wenn er mich mit seinen toten Affen beworfen hätte, hätte ich ihm meine Faust ins Gesicht gerammt«, sagte der Rominer und erklärte das Gespräch damit für beendet.
»Aber er war doch unbewaffnet«, stammelte Bowbaq verlegen und kehrte dann rasch zu seinen Freunden zurück.
Voller Neid sah der
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