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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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hatte.
    Er näherte das Buch der Flamme seiner Kerze, hielt beide eine Weile nebeneinander und besann sich dann eines Besseren. Die Schatten huschten vorbei, tanzten um ihn herum, umringten ihn. Sie kamen immer näher. Wie Dämonen, die sein Gewissen quälten.
    Drékin schob sich das Tagebuch unter die Robe und verließ den Keller. Die Schatten folgten ihm und zogen den Kreis immer enger. Er sagte sich, dass er dabei war, den Verstand zu verlieren, und dass sie nichts als Hirngespinste waren, die sich in Luft auflösen würden, wenn er nur die Zeit fand, sich zu beruhigen. Doch diese Zeit hatte er nicht.
    Er hastete zurück durch die Gänge, durchquerte abermals den Saal und eilte die Treppe hinauf. Er war nicht schneller als auf dem Hinweg, sondern eher langsamer, jedenfalls langsamer, als es ein jüngerer Mann gewesen wäre. Doch irgendetwas trieb ihn voran. Er musste fliehen, von diesem
verfluchten Ort fliehen, an dem er soeben ein gefährliches Buch gestohlen hatte.
    Er schloss die Tür auf und stürzte nach draußen. Das Tageslicht blendete ihn, und er kam sich vor wie in einem Traum, als er auf die Brücke trat. Weitere Schatten tauchten aus dem grellen Licht auf: Lana und ihre Freunde. Sie rannten mit gezogenen Schwertern auf ihn zu und schienen ihm etwas zuzurufen …
    »Vorsicht?«
    Drékin verharrte mitten auf der Brücke und drehte sich langsam um. Ein Dutzend Novizen, die nicht anders aussahen als so viele in Ith, näherten sich ihm mit geschmeidigen Raubtierschritten.
    Sie hielten Dolche mit schmaler, nadelspitzer Klinge in den Händen, und in ihren Augen spiegelten sich die Schatten, die ihn immer noch umtanzten und nur darauf warteten, seine Seele zu holen.
     
     
     
    Grigán wusste, dass er Drékin nicht mehr vor den Züu erreichen konnte. Er verlangsamte seine Schritte, warf das Krummschwert fort und spannte stattdessen blitzschnell einen Pfeil in seinen Bogen.
    »Aus dem Weg!«, brüllte er den anderen zu.
    Sie wichen zur Seite, um die Schusslinie frei zu machen, rannten aber trotzdem weiter. Der Pfeil sirrte durch die Luft, und ein Zü brach zusammen. Gleich darauf schlugen zwei weitere Pfeile den beiden vordersten Mördern in die Brust. Doch dann kam Drékin selbst Grigán in die Quere, denn er stellte sich zwischen ihn und die Züu.
    »Dummkopf!«, rief der Krieger, warf den Bogen beiseite und sprintete los.

    Bowbaq, der vorweglief, beobachtete, wie sich der Emaz über das Brückengeländer beugte. Er wirkte gefasst und unternahm keinen Versuch, seinen Angreifern zu entkommen. Vielmehr sah es aus, als wartete er auf sie.
    Der Hohepriester zog einen Gegenstand unter seiner Robe hervor und betrachtete ihn voller Faszination. In diesem Moment drangen zehn Hati in seinen Körper ein und verströmten dort ihr Gift.
    Drékin schwankte und fiel über das Geländer in den reißenden Fluss. Mit ihm versank das Tagebuch des Maz Achem in den Fluten, und damit sämtliche Hoffnungen der Erben.
    Mit Entsetzen sah Lana eine Horde Züu über ihren Lehrer herfallen. Sie stolperte und stürzte zu Boden. Corenn lief zu ihr zurück, um ihr aufzuhelfen. Es blieb den Gefährten ohnehin nichts übrig, als ihr Heil in der Flucht zu suchen. In Ith konnten sie nichts mehr ausrichten.
    Grigán ordnete den Rückzug an, und Yan, Bowbaq und Rey gehorchten ihm sogleich. Da die Züu hoffnungslos in der Überzahl waren, konnten sie den Kampf nicht gewinnen. Nur Léti lief einfach weiter.
    Grigán stieß einen Fluch aus und rannte zu der Stelle, an der sein Bogen lag. Zu seinem Entsetzen stellte er fest, dass er nicht mehr viele Pfeile hatte. Er spannte einen in die Sehne und tötete einen Zü, der auf Léti zustürzte. Wie viele würden sie noch angreifen? Zehn? Zwölf? Mehr?
    Yan und Rey machten auf dem Absatz kehrt, um Léti zu Hilfe zu kommen, und Bowbaq folgte ihnen. Verzweifelt schoss Grigán Pfeil um Pfeil ab. Die Züu schienen sich nicht um ihre Verluste zu scheren. Selbst die Verletzten schleppten sich noch auf die Gefährten zu, angetrieben von religiösem Eifer und einem unbegreiflichen Zorn.

    So werde ich also sterben, dachte der Krieger. In Ith, im Kampf gegen eine Übermacht Gegner, ohne das Ende der Geschichte erlebt zu haben.
    Als ihm die Pfeile ausgingen, ließ er seinen nutzlosen Bogen fallen und rannte ebenfalls auf die Mörder zu. Fünf wenig kampferprobte Erben warfen sich einer Bande fanatischer Züu entgegen. Léti, die mit gezogenem Rapier und in ihrer Lederkluft einen eindrucksvollen Anblick bot, lief

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