Götter der Nacht
waren.
»Auf der Insel Ji und jenseits von ihr sind wir der größten Gefahr begegnet, welche die Menschheit jemals bedroht hat. Und diese
Gefahr ist nicht gebannt, denn die Geschichte hat kein Ende gefunden. Andere werden unseren Fluch tragen müssen. Ihnen sage ich: Seid achtsam! Eure Bürde ist die schwerste, die je ein Mensch getragen hat. Von Euren Entscheidungen und Euren Taten hängt das Schicksal künftiger Generationen ab.
Meine Absicht ist es nicht, das Buch der Weisen neu zu schreiben. Und doch enthält diese Niederschrift weit mehr als meine eigenen Erinnerungen. Sie ist eine Mahnung für die Ewigkeit.«
DRITTES BUCH
DER MENSCHHEIT ZUM ANGEDENKEN
A uf der Insel Ji und jenseits von ihr sind wir der größten Gefahr begegnet, welche die Menschheit jemals bedroht hat. Und diese Gefahr ist nicht gebannt, denn die Geschichte hat kein Ende gefunden. Andere werden unseren Fluch tragen müssen. Ihnen sage ich: Seid achtsam! Eure Bürde ist die schwerste, die je ein Mensch getragen hat. Von Euren Entscheidungen und Euren Taten hängt das Schicksal künftiger Generationen ab.
Meine Absicht ist es nicht, das Buch der Weisen neu zu schreiben. Und doch enthält diese Niederschrift weit mehr als meine eigenen Erinnerungen. Sie ist eine Mahnung für die Ewigkeit.
Widersinnigerweise beginne ich mit dem Ende meiner Geschichte, jenem Ende, das die Emaz des Großen Tempels - aus gutem Grund - in Angst und Schrecken versetzt. Man wirft mir vor, ein Aufrührer zu sein. Noch öfter zeiht man mich des Wahnsinns oder der Ketzerei. Ich bin ein Abtrünniger, der Ämter und Titel verloren hat, ein Geächteter der Heiligen Stadt. Dabei sind mein Glaube an Eurydis und meine Liebe zu ihr stärker denn je.
Allen Emaz und Maz, allen Predigern und all meinen Brüdern und Schwestern dieser Welt verkünde ich daher folgende Botschaft: Nicht die Götter rufen böse Gefühle in uns wach, sondern unsere bösen Gefühle bringen Dämonen hervor.
Jede Stimme, die sich für Phrias erhebt, verleiht ihm mehr Macht. Jedes an Yoos gerichtete Gebet macht ihn feindseliger. Jedes Opfer, das Valipond dargebracht wird, verleiht den Ausgeburten unserer schlimmsten Albträume Gestalt. Und das immer häufiger und für immer längere Zeit. Bis irgendwann der Tag kommen wird, an dem die Menschen das Zeitalter von Ys nicht mehr voller Hoffnung herbeisehnen, sondern sich nur noch
wehmütig an einen schönen Traum erinnern, der nie in Erfüllung gegangen ist.
Die Lehre der Weisen predigt Toleranz und Frieden. Ich habe mein Leben lang für diese Werte gestritten. Doch jetzt sage ich mich von ihnen los. Wer würde einen Wolf füttern, der Kinder verschlingt? Niemand. Warum nehmen wir dann in Ith all jene finsteren Gemüter auf, welche die Göttin offen anfeinden? Warum schmeicheln wir in unserem universellen Streben nach Moral eben jener Schlange, die wir bekämpfen?
Denn um nichts anderes geht es: um einen erbitterten Kampf, der nur mit der Vernichtung eines der beiden Lager enden kann. Moralisten oder Dämonisten. Tugend oder Schwarze Magie. Gut oder Böse.
Ich weiß, dass ich mich bisweilen in Rage geredet habe. Man konnte meine Worte so verstehen, als riefe ich zur Gewalt und zum Krieg auf oder gar zu einem Kreuzzug, der erst enden würde, wenn selbst die Namen der schwarzen Götter vergessen wären.
Heute denke ich beschämt daran zurück und mache mir meinen Zorn zum Vorwurf. Manchmal allerdings … Manchmal glaube ich, dass der Verstoß gegen die Moral das geringere Übel wäre. Zwar wären zahlreiche Hindernisse zu überwinden und Gewissensqualen zu ertragen, doch vielleicht gibt es keinen anderen Weg, um das Zeitalters von Ys herbeizuführen.
Ihr, die Emaz, habt mich zum Abtrünnigen erklärt, weil ich diese Gedanken verbreitet habe. Nun gut, verwerft den Kreuzzug und gestattet den bösen Seelen, ihr Unwesen in der Heiligen Stadt zu treiben. Aber hindert sie zumindest daran, all jene Schwachen, Verirrten, Leichtgläubigen, Außenseiter und Tagediebe zu bekehren, unter denen sie ihre Anhänger rekrutieren.
Ich sage mich von der Toleranz los. Jeder Sterbliche, der die
schwarzen Götter anbetet, zögert den Beginn des Zeitalters von Ys hinaus. Er ist sein Feind.
Ich sage mich vom Frieden los. Wir alle glaubten, es würde reichen, uns nur in Geduld zu üben. Doch das war ein Irrtum. Wir müssen kämpfen.
Der Sieg ist uns nicht sicher, nur weil wir auf der Seite des Guten stehen. Es gibt kein universelles Gesetz, das zu unserem Vorteil
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