Götter des Meeres
heißt, daß sie die Oberwelt meiden. Auf jeden Fall weichen sie auch uns aus.
Ihre Heimat sind die Städte Mnar, Koramphar und Helleas. Aber mehr als diese Namen kennt selbst Aleoch nicht.
Die Verlockung ist groß, die mir zuflüstert, das Geheimnis zu ergründen.
Schon jetzt fühle ich, daß ich ihr nicht widerstehen kann. Der ferne Schimmer übt einen seltsamen Einfluß auf mich aus.
Zögernd teilen meine Arme das Wasser. Die Hand eines Gottes scheint an dieser Stelle zugepackt zu haben und hat tiefe Furchen in den Meeresboden gegraben. Daneben wurden gigantische Felsblöcke übereinandergetürmt. Zwischen ihnen scheint die See zu glühen.
Ein mächtiger Schatten zieht langsam über den Grund. Es ist ein Fisch, wie ich nie zuvor einen größeren sah. Er hat die Länge von zehn erwachsenen Männern. Ohne mich zu beachten, schwimmt er vorbei. Ich folge ihm zögernd.
Singara! Reich des Glücks und der Freude, das auf der Höhe seiner Blüte zerstört wurde. Manche wollen wissen, daß die vielen kleinen Inseln Zeugen sind jenes Landes.
Und ich bin ein Narr. Über meinen Gedanken vergaß - ich, auf die Umgebung zu achten.
Vier Okeazar kommen auf mich zu. Die Waffen in ihren Händen sprechen eine beredte Sprache.
Zur Flucht ist es bereits zu spät. Ich lasse mich absinken und warte, versuche, mir den Anschein von Gleichgültigkeit zu geben. Dabei weiß ich genau, daß mir dies nicht gelingt. Meine Aufregung läßt sich nicht verbergen.
Die vier haben etwas an sich, das mich abstößt. Ihre Augen liegen ungewöhnlich tief und sind von dicken Wülsten umgeben. Ihre Schädel wirken plattgedrückt, sind dafür aber breiter, als ich sie von den Wassergraben-Leuten her gewohnt bin; die übergroßen Ohren verleihen ihnen zudem einen harten, unnachgiebigen Ausdruck. Die gedrungenen, aber stämmigen Körper strotzen vor verhaltener Kraft. Man sieht ihnen an, wo sie geboren wurden.
Ich muß es geschehen lassen, daß sie mich einkreisen.
»Was suchst du hier?« Kurz und abweisend ist die Frage. Bevor ich antworten kann, richtet ein anderer seine Waffe auf mich.
»Du kommst aus Ptaath?« stößt er hastig hervor.
Abwehrend hebe ich die Arme.
»Lügner!« muß ich mir vorwerfen lassen.
»Meine Heimat ist der Grundlose Wassergraben.«
Stumm mustern die Okeazar mich. Zwischen ihnen scheint es keiner Worte zur Verständigung zu bedürfen.
»Du hast viel Menschliches an dir.« Der Mann duldet keinen Widerspruch. Ich zucke zusammen, merke, daß meine Schuppen sich abspreizen. Tatsächlich stammte meine Mutter aus Ptaath, wo sie mit einem Menschen eine Verbindung einging. Allerdings habe ich nie erfahren, weshalb sie die Stadt verließ.
»Kein Fremder darf den Toten Grund überschreiten.« Der Okeazar vollführte eine ausschweifende Handbewegung.
»Stammt ihr wirklich vom Alten Volk ab?« platze ich heraus und erschrecke im gleichen Moment über meine Kühnheit. Unwillkürlich greife ich zum Schwert. Dem Okeazar, der mir gegenübersteht, entgeht diese Bewegung natürlich nicht. Er entblößt seine spitzen Reißzähne.
»Du bist jung und unerfahren, das will ich dir zugute halten. Es ist, wie du glaubst, doch hüte dich vor jenen aus Ptaath, die das Verderben bringen. Denn die Meermutter trägt die Schuld am Untergang von Singara.«
Ich brauche Zeit, um zu begreifen, was er gesagt hat, so ungeheuerlich erscheint es mir. Gleichzeitig aber fange ich an zu verstehen… Dieses Wissen muß es sein, das mein Volk Stellung gegen den Anemona-Kult und die Meermutter, dessen oberste Priesterin, hat einnehmen lassen.
»Du wirkst nachdenklich.«
»Ich bin es auch. Sagt mir mehr über eure Geschichte, damit ich sie den anderen berichten kann.«
Der Mann wehrt ab.
»Geh jetzt!« Er wirkt erregt und ärgerlich. »Der Tote Grund birgt unzählige Gefahren, die für Fremde tödlich sein können.«
Ich habe noch so viele Fragen, aber die Okeazar geben mir unmißverständlich zu verstehen, daß sie nichts von mir wissen wollen. Was bleibt mir anders übrig, als mich zu fügen?
»Kehre nicht zurück«, rufen sie mir nach. »Du könntest es bereuen.«
Ich blicke nur einmal um, nehme das Bild in mich auf, wie es sich darbietet. Dann tauche ich empor und atme die kühle Luft über den Wellen. Ein frischer Wind peitscht mir die Gischt entgegen.
4.
»Zwei alte Weiber und ein lebensgefährlich verwundeter Wasseratmer…«, schimpfte Gerrek so leise vor sich hin, daß nur der Gorganer ihn verstehen konnte. »Wir haben es wahrlich weit
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