Götter des Meeres
immerhin war es mir möglich, dem Tier einen weit aufklaffenden Schnitt zuzufügen.
Die Sepa bäumt sich auf. Das Wasser ringsum beginnt zu schäumen und verfärbt sich langsam. Geräusche wie ich sie nie zuvor gehört, drohen mich zu lähmen. Winzige Teile der Korallen platzen ab. Ich fühle Erschütterungen, und sie rufen Übelkeit hervor.
Da zuckt etwas auf mich herab, reißt mich mit unwiderstehlicher Gewalt vom Riff. Ich werde herumgewirbelt, überschlage mich mehrmals, während gleichzeitig der Fangarm meinen Leib umschlingt. Mit Händen und Füßen zugleich wehre ich mich gegen die tödliche Umklammerung. Nur die verzweifelte Anstrengung verhindert, daß mir die Sinne schwinden.
Irgendwie bekomme ich den Griff meines Sägezahnschwerts zu fassen, das an einem einfachen, um meine Hüften geschlungenen Schilfgürtel baumelt.
Weitere Tentakel winden sich auf mich zu. Ich kann den rechten Arm kaum bewegen, schaffe es aber dennoch, mit dem Schwert zuzustoßen.
Fast schlagartig erhalte ich wenigstens einen Teil meiner Bewegungsfreiheit zurück. Die Sepa bäumt sich auf, stößt riesige schwarze Wolken aus, die das Wasser verdunkeln. Verzweifelt versuche ich, mich gänzlich zu befreien, schaffe es aber nicht, bevor die Schwärze mich aufnimmt. Selbst eine Nacht bei Neumond und ohne den Schimmer der Sterne kann nicht so vollkommen lichtlos sein. Ich finde mich nicht mehr zurecht, weiß nicht, ob das Untier vor mir lauert oder hinter mir, ob da, wo ich vermute, nicht in Wirklichkeit der Meeresboden liegt.
Plötzlich verspüre ich einen stärker werdenden Druck auf meinem Körper, der aber nicht von den Saugnäpfen stammt. Die Sepa zerrt mich in eine ungewisse Tiefe hinab.
Bedauern ist das einzige Gefühl, das ich in diesem Moment empfinde. Ich weiß, daß ich mit meinem Leben abschließen muß.
*
»Wir müssen weiter«, sagte Gudun scharf. Mit Sorge betrachtete sie die Veränderung, die mit den Tunnelwänden vor sich ging. Es schien, als würden die Tritonen versuchen, zusätzliche Zugänge zu schaffen.
Sosona, die Hexe, zeigte auf Learges, der wie im Traum redete.
»Ich weiß nicht, was geschieht, wenn wir ihn jetzt fortschaffen. Er ist noch zu schwach, um einen langen Marsch zu überstehen.«
»Dann lassen wir ihn hier zurück.«
Sosona winkte ab.
»Learges kann uns die Informationen geben, deren wir bedürfen.«
»Wenn wir im Wasser umkommen, brauchen wir sie nicht mehr«, zischte Gudun und deutete auf die Rinnsale, die innerhalb kürzester Zeit merklich stärker geworden waren.
»Tut was ihr wollt«, rief Gerrek heiser. »Ich jedenfalls fliehe diesen Ort, egal, was mich erwartet.«
»Du bleibst«, bestimmte Mythor, »und hilfst mir, Learges zu tragen.«
»Aber wenn das Wasser…«
»So schnell steigt es nicht. Also faß mit an.«
Während Sosona Mythor dankbar zunickte, fauchte Gorma: »Findet euch damit ab, daß wir das tun, was wir für richtig halten.«
»Ich könnte dir und Gudun befehlen, bei uns zu bleiben«, meinte die Hexe.
Gorma zuckte die Schultern.
»Das wäre unklug«, sagte sie nur und wandte sich ab.
Gudun streifte Mythor mit einem, wie es schien, bedauernden Blick und ging dann ebenfalls. Kalisse folgte ihr.
Gerrek trat hinter den Tritonen, griff ihm unter die Achseln und zerrte ihn hoch.
»Den Kerl trage ich allein«, schnaufte er. Aber Sosona wehrte heftig ab.
»Willst du, daß seine Wunden wieder aufbrechen und er verblutet? Also laß dir von Honga helfen.«
Learges stöhnte verhalten. Für eine Weile sah es so aus, als wolle er heftig um sich schlagen, doch er beruhigte sich sehr schnell.
*
Angst und Verzweiflung lösen einander ab, ziehen mich mit eisigen Krallen in ihren Bann, daß ich einen schnellen Tod herbeisehne. Auf mir liegt der Druck großer Tiefe, als die Bewegungen der Sepa endlich erlahmen.
Noch kann ich nicht erkennen, wohin das Tier mich verschleppt hat, aber allmählich werden die schwarzen Wolken, die mich einhüllen, lichter.
Unmittelbar vor mir glaube ich Felsen zu erkennen, schroffes, zerklüftetes Gestein, das ohne jeden Bewuchs ist. Nicht einmal Algen haben sich darauf festgesetzt.
Laute, saugende Geräusche erschrecken mich und sind schuld daran, daß meine Rückenfinnen sich steil aufrichten. Ich schaudere, weiß ich doch zu genau, was mir bevorsteht. Ein mächtiger, zuckender Körper schiebt sich von oben her in mein Blickfeld.
Ich starre geradewegs in ein weit aufgerissenes Maul voll scharfer Zähne. Alles, was sich nun abspielt, geschieht
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