Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Götter des Meeres

Götter des Meeres

Titel: Götter des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
Gleich einem Adler kreiste er hoch droben in den Lüften und war der Sonne näher als jedes andere Lebewesen auf dieser Welt. Dann legte er die Schwingen an, schoß pfeilschnell in die Tiefe, der blauen See entgegen. Das Wasser nahm ihn auf. Gerrek ließ sich bis auf den Grund sinken und verharrte dort zwischen Muscheln und Seesternen. Aber lange hielt er auch das nicht aus und stieg wieder empor, um sich von den wärmenden Strahlen der Sonne trocknen zu lassen.
    Das Trugbild verwehte ebenso schnell, wie es gekommen war. Zurück blieb ein Gefühl grenzenloser Leere.
    Als Gerrek jäh die Augen aufschlug, fand er sich in Düsternis wieder. Gleich darauf durchstieß er die schaumbedeckte Wasseroberfläche und sog gierig die Luft in seine schmerzenden Lungen.
    Endlich wurde der rasende Herzschlag langsamer; der Mandaler vermochte wieder klarer zu denken.
    Wo waren die anderen?
    Urplötzlich tauchte unmittelbar vor Gerrek der gehörnte Schädel eines Tritonen auf.
*
    Längst ist die Nacht dem Tag gewichen; die Sonne steht bereits drei Handbreit hoch über dem Horizont. Gleißend brechen sich ihre Strahlen auf der fast unbewegten See. Am fernen Horizont glaube ich einen dunklen Streif erkennen zu können, der sich undeutlich über das Wasser hinaushebt.
    Das muß Asingea sein, jene langgestreckte Insel, die Ptaath vorgelagert ist und damit bereits zum Herrschaftsbereich der Gottheit Anemona und der Meermutter gehört.
    Ich tauche, weil ich nun wieder weiß, wo ich mich befinde, und schwimme mit hastigen Stößen nach Norden. Bald darauf spüre ich eine schwache Strömung in derselben Richtung. Der Meeresboden fällt merklich ab. Schwärme von Fischen begleiten mich in den Grenzbereichen zwischen warmem Oberflächenwasser und den kühleren Fluten, die hin und wieder aus der Tiefe emporsteigen, vermehren sie sich schnell.
    Obwohl ich hier nicht für immer leben könnte, erfüllt der Anblick mich mit Freude. Mir steht der Sinn nach anderem - ich will hinaus in die endlose Weite des Meeres, will die Inseln kennenlernen, auf denen Menschen wohnen. Das Blut in meinen Adern läßt sich eben nicht leugnen.
    Endlich liegt der Grundlose Wassergraben vor mir, der gegen Angriffe gut abgesichert ist. Die Fallen, die auf den ungebetenen Eindringlich warten, können tödlich sein.
    Als sich zwischen mannshohen Schilfpflanzen eine flüchtige Bewegung zeigt, gebe ich mich zu erkennen. Eine der Wachen schwimmt auf mich zu. Ungefähr zehn Körperlängen entfernt verharrt der Mann und starrt mich überrascht an.
    »Wir hielten dich für tot. Dich und Tungol.«
    »Dann sind die anderen zurückgekehrt?«
    »Schon am gestrigen Tag. Aber keiner von ihnen wird jemals Großes vollbringen. Sie haben zwar Mut bewiesen, doch gelang es ihnen nicht, die Sepa zu besiegen.«
    Ich nicke. Die erhaltene Auskunft läßt ein wenig die Beklemmung von mir abfallen, die mich die ganze Zeit über verfolgt. Nun weiß ich wenigstens, daß die Initiation in dieser Gezeit höchstens ein Opfer gefordert hat.
    »Wieso kommst du von Süden her?« Der Tonfall ist plötzlich hart. Aber ich hebe nur das Auge der Sepa hoch und erwidere nichts auf den unausgesprochenen Vorwurf.
    »Du hast es geschafft«, staunt die Wache. »Dann wirst du sicherlich zu erst mit Aleoch reden wollen.«
    Niemand hält mich auf, als ich in den Grundlosen Wassergraben eintauche. Dabei bin ich sicher, daß die Kunde von meiner Rückkehr sich sehr schnell verbreitet.
    Ob mein Mentor ebenfalls glaubt, daß ich tot bin? An den obersten Wohnkörben vorbei lasse ich mich schneller absinken. Eng schmiegen die Pflanzengebilde sich dem Fels an. Zwischen ihnen wurden Gebiete abgegrenzt, in denen Tang und Schwämme wuchern. Auch Kolonien eßbarer Muscheln finden sich an etlichen Stellen. Einige ältere Okeazar, die damit beschäftigt sind, aus Fischknochen gefährliche Waffen zu machen, sehen mich erstaunt an.
    »Learges, warte«, ruft einer von ihnen mir hinterher, aber ich achte nicht auf ihn.
    Aleochs Behausung ist eine der am tiefsten gelegenen. Ich schwimme um sie herum und steige dann durch die Öffnung im Boden auf.
    Der alte Mann sieht mich nicht. In zusammengesunkener Haltung kauert er da und wendet mir den Rücken zu. Ich weiß nicht, ob er schläft oder sich nur wehmütigen Gedanken hingibt.
    »Du lebst also«, murmelte er plötzlich in der Sprache der Menschen. »Obwohl die anderen sagten, die Sepa hätte dich erwischt.« Erst jetzt wendet er sich langsam zu mir um. In seinen Augen liegt ein

Weitere Kostenlose Bücher