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Götter des Meeres

Götter des Meeres

Titel: Götter des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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seltsamer Glanz, der Freude ausdrückt. Aleoch ist stolz auf mich.
    Was anderes kann ich tun, als ihm meine Trophäe zu reichen? Zögernd nimmt er den Beweis meines Sieges entgegen.
    »Ich wußte es«, lachte Aleoch. »Alle wurden durch ihren Mut zum Mann, aber du wirst Taten vollbringen, von denen andere ihr Leben lang nur träumen. Vielleicht bist du ausersehen, die Macht der Meermutter zu beenden.«
    »Wie könnte ich, ein Unbedeutender unseres Volkes…«, beginne ich, werde aber schroff unterbrochen.
    »Seiner Bestimmung kann niemand entgehen. Du bist nun ein Mann und wirst nach Ptaath schwimmen.« Aleoch macht eine Pause, wie um die Wirkung seiner Worte abzuwarten. Doch da ich schweige, fährt er noch einer Weile fort:
    »Du sollst den Sturz der Meermutter vorbereiten. Auf dir ruht die Hoffnung aller Okeazar.«
    Ich weigere mich zu begreifen. Niemals werde ich die Stärke besitzen, die höchste Priesterin der Anemona zu besiegen. Meine Zweifel drücke ich in einfachen Worten aus. Aber Aleoch schüttelt den Kopf.
    »Du besitzt alle Eigenschaften, deren ein guter Jäger bedarf. Du bist klug und ausdauernd, kennst Dinge, von denen andere nicht einmal gehört haben, und warst gewandt genug, allein auf dich gestellt die Sepa zu besiegen. Wenn das kein gutes Omen ist.«
    »Nein«, wehre ich ab. »Ich hatte Glück, mehr nicht. Niemand kann den Kraken und die Anemona miteinander vergleichen.« Aber gleichzeitig beginne ich zu ahnen, daß diese Mutprobe, der ich mich unterzog, weitaus mehr bedeutet, als ich bis eben noch glaubte.
    »Dein Schicksal ist vorherbestimmt«, sagt Aleoch. »Mergesa wollte es so. Und alles, was geschah, beweist auch den Willen der Götter.«
    Meine Mutter…? Ich weiß nicht viel von ihr, denn sie starb bei meiner Geburt.
    »Erzähl mir mehr«, bitte ich, indes steht meine Entscheidung schon fest. Heute endet also mein freies und unbeschwertes Leben.
    Aleoch nickt kurz.
    »Mergesa stammte aus Ptaath, wo sie mit einem Menschen-Mann eine Verbindung einging. Es heißt, daß sie lange Zeit an der Oberfläche lebte, weil auch in ihren Adern Menschenblut floß. Aus welchen Gründen immer, die Okeara-lör, die Hohenpriesterinnen des Anemona-Kults, fanden daran keinen Gefallen und trachteten danach, deine Mutter und den Menschen ihrer Göttin zu opfern. Mergesa gelang es zu fliehen. Was aus ihrem Gefährten wurde, wußte sie nicht zu berichten.
    Sie hatte gehört, daß es Okeazar gibt, die frei leben und ohne Verbindung zu den Tritonen von Ptaath. Nach einer Gezeit des rastlosen Umherirrens, gezeichnet von den erlittenen Entbehrungen, fand Mergesa endlich zu uns in den Grundlosen Wassergraben, und wir nahmen sie auf, weil sie in ihrem Zustand der Hilfe bedurfte. Sieben Tage später gebar sie einen Sohn…«
    »Mich.«
    »Ja. Wir sollten ihn Learges nennen, nach dem Namen, den sein Vater trug.«
    Das hatte ich nicht gewußt. Auch daß Mergesa stark genug gewesen war, dreißig Tage allein auf sich gestellt in diesen Gewässern zu überleben, war mir neu.
    Ich kenne meine Mutter nicht, aber ich will wissen, wie sie starb.
    »Mergesa wußte schon vorher, daß ihr ein Sohn geschenkt würde. Es war ihr vergönnt, dich ans Herz zu drücken und einen letzten Wunsch zu äußern. Ihre Seele schied in Frieden.«
    »Der Wunsch«, platzte ich heraus, »laß ihn mich wissen.«
    »Ich höre die Stimme dieser tapferen Frau noch immer, als wäre es heute gewesen.« Aleoch streckt einen Arm aus und berührt sanft meine Schuppen. Es ist, als würde etwas von seiner Zuversicht auf mich überspringen.
    » Sagt Learges, wenn er alt genug ist, er soll eines Tages die Meermutter für ihre Untaten strafen. Vielen Unschuldigen hat sie schon den Tod gebracht. Sagt ihm auch, daß meine letzte Hoffnung ihm gilt. Er möge sie erfüllen oder mich vergessen. «
    »Das«, seufzt Aleoch, »waren ihre letzten Worte. Mergesa wußte, daß wir, die außerhalb des Nassen Grabes leben, schon immer Pläne schmiedeten, um die Macht der Meermutter zu brechen und unsere Brüder und Schwestern von Ptaath zu befreien.« Er erhebt sich umständlich und verläßt den Wohnkorb, kehrt aber schon wenige Augenblicke später mit einer leeren Muschelschale und einem faustgroßen Korallenstück zurück. Beides hält er mir hin.
    »Nimm es und zerstoße das Auge.«
    Ich zögere nicht. Manchen Dingen haftet ein Zauber an, der ihre Eigenschaften ins Gegenteil zu kehren vermag. So wird aus den giftigen Blättern des Seefarns eine Medizin gewonnen, die

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