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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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guter Mann wie der Colonel schlechter behandelt wird als irgendwelche Beamte, die Ihnen fette Aufträge verschafft haben und sich nach ihrem Ausscheiden dafür ihre besten Jahre in Ihrer Firma versüßen konnten. Tapferkeit und Gesinnung ist mehr wert als Gefälligkeiten.«
    Armstrong nickte, und Nick hoffte, dass ihr Ass noch lange im Amt bleiben würde. Er respektierte den Reichtum von Mr. President, aber nicht den Mann, und hielt es durchaus für denkbar, dass dieser bei einem Regierungswechsel gewisse Versprechen geflissentlich vergaß. Das Ass hatte Recht: Colonel West hatte Besseres verdient.
    »Damit wäre diese Angelegenheit geklärt«, konstatierte der Minister zufrieden.
    »Haben Sie eigentlich mit, äh, Ihrem Chef über Pandora gesprochen?«, fragte der Unternehmer an Armstrongs Seite.
    Die Stirn des Asses umwölkte sich erneut. »Die Frage ist doch wohl nicht ernst gemeint«, zischte er. »Wenn der Präsident das wüsste und es je ein Sicherheitsleck gäbe, wären wir alle schneller in der Opposition, als Sie furzen können. Außerdem haben wir genügend Farbige in der Regierung, denen ich glatt zutrauen würde, so was an die New York Times oder an diese Dauerschwätzer in der UNO weiterzuleiten.«
    Nick musste sich zusammennehmen, um nicht zu West zu blicken. Sie wussten beide genau, auf wen das Ass anspielte. Es war ein Jammer, dass es selbst innerhalb der Armee Menschen gab, die nicht begriffen, was man Amerika schuldete.
    »Diese Nation«, sagte das Ass etwas ruhiger, »hat schon viel zu lange darunter gelitten, dass bei der Planung ihrer Verteidigung immer nur an die Kriege von gestern gedacht wurde, und an die Gegner von gestern. Nicht mehr länger, meine Herren. Politik ist nur die Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln. Wir, wir planen für die Kriege und Gegner von morgen und übermorgen. Wenn es dabei zu ein paar Betriebsunfällen kommt, nun…« Er ließ den Satz ausklingen und zuckte die Achseln.
     
    * * *
     
    Mit einem Anhalter unterwegs zu sein, hatte seine Nachteile, aber Neil war sich trotzdem sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Da er nicht wüsste, was die Wärmekameras aufgezeichnet hatten, war ein Wechseln seines Fahrzeugs ein logischer Schritt gewesen. Das Auto, mit dem er mittlerweile unterwegs war, hatte der vorherige Besitzer fröhlich als »Scheißdreck auf Rädern« bezeichnet; die grünliche Farbe blätterte ab, und der Dreck auf den Fensterscheiben war so dick, dass er einen Schwamm an der Tankstelle ruinierte, um halbwegs freie Sicht zu bekommen. Aber er konnte den Wagen problemlos gegen die Harley tauschen, ohne weitere Fragen.
    »Ah, Mr. Brodie«, sagte der Anhalter, den er mitgenommen hatte, ein aknebeladener kleiner College-Student, der ihn immer noch nervös beäugte, aber offenbar gewillt war, mit dem Risiko zu leben, es mit einem potenziellen Axtmörder zu tun zu haben, »Sir, ich glaube, nach Louisville über die 64. hätten wir die letzte Ausfahrt nehmen müssen.«
    Er tippte auf die Karte, die Neil sich besorgt hatte und die er in der Hand hielt. Neil warf einen flüchtigen Blick darauf und fluchte. Der Anhalter zuckte zusammen.
    »Kommt davon, wenn man zu lange am Steuer sitzt«, sagte Neil resignierend.
    »Also… ich könnte… ich kann auch Auto fahren, Mr. Brodie.«
    Darum hatte Neil ihn mitgenommen, aber er tat so, als sei ihm die Idee neu.
    »Jonathan, mein Junge, ist das dein Ernst?«
    Jonathan Levinson erwies sich als ein passabler Autofahrer; der Junge fuhr weder zu langsam noch zu schnell, und das war alles, was Neil von ihm verlangte. Dafür nahm er einen nicht enden wollenden Redestrom in Kauf. Selbst am Steuer zu sitzen, hatte bei Jonathan offenbar alle Schleusentore geöffnet. Er erzählte von seiner Heimatstadt in Kalifornien, sämtlichen Schulkameraden, die er je gehabt hatte, und den Großeltern, die er in Missouri besuchen wollte, bis Neil das Gefühl hatte, selbst den Namen von Jonathans Schuldirektor auswendig zu wissen.
    »… Und einmal bin ich sogar mit der Ballkönigin ausgegangen!«
    »Wenn du es sagst«, murmelte Neil und versuchte sich darauf zu konzentrieren, sein fehlendes Puzzle-Teilchen zu finden.
    »Das war natürlich, bevor mir alles klar wurde. Eigentlich hatte ich es schon wissen müssen, als Larry starb. Larry war früher echt fies zu mir, aber nachdem er sich geoutet hatte, da war er echt in Ordnung. Das hätte ich auch schon längst tun sollen.«
    Offenbar fasste er Neils undefinierbares Brummen als Frage

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