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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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weiter vom Essen abhalten. Im Übrigen ist die Geschichte fast schon zu Ende. Vic war zu betrunken und sagte in der Nacht nichts Sinnvolles mehr. Später bekam ich eine Ansichtskarte, auf der stand, ich hätte ihm sehr geholfen. Das war vor vierundzwanzig, fünfundzwanzig Jahren etwa. Du meine Güte, ein Vierteljahrhundert ist das schon her. Dann nur noch Karten mit Weihnachtsgrüßen.«
    »Seine neue Adresse hat er Ihnen nicht verraten?«
    »Die würde Ihnen wahrscheinlich auch nicht mehr viel nützen. Seit Jahren kommen die Grüße nur noch über dieses komische Zeugs, das Internet. Mein Sohn druckt sie für mich aus.«
    »Dann haben Sie seine E-Mail-Adresse?«
    Lázaro schüttelte den Kopf.
    »Ich habe Johnny mal gefragt, wie das funktioniert, ob man da zurückschreiben kann. Er hat es getan, aber anscheinend ist das eine Art Sackgasse. Es kommt alles zurück. Aber«, er fixierte Neil nachdenklich, »ich kann Ihnen sagen, woher die Postkarten gekommen sind.«
    »Nämlich?«
    »Aus Alaska.«
    »Nicht dass ich mich beschweren möchte ob Ihrer Hilfsbereitschaft, Senor«, sagte Neil, »aber sie überrascht mich doch. Dass Sie einem liberalen Weichei helfen wollen, meine ich.«
    Lázaro hüstelte, ein trockenes, altes Geräusch wie das Zerreißen von Papier.
    »Nun ja, ich sage mir, dass zwei Dinge geschehen können.
    Entweder Sie verlieren Ihre wertvolle Zeit damit, nach Vic zu suchen. Dann ist es nicht schade darum, und es hindert Sie ein paar Monate daran, dummes liberales Gewäsch über andere Themen zu veröffentlichen.«
    Er grinste. Zwischen seinen Zähnen klemmten Fleischfasern. »Wir sind im Krieg, Junge. Jedes bisschen hilft, wie der Vater sagte, der in die See pinkelte, weil sein Sohn ertrunken war.«
    »Oder?«, fragte Neil unbeeindruckt.
    »Oder Sie finden Victor Sanchez. Und das, mein Freund, könnte sehr unterhaltend werden.«
     
    ‹Betreff: Kontakt
    Absender: [email protected]
    Empfänger: [email protected]
     
    Sehr geehrter Mr. LaHaye,
    ich habe Ihre E-Mail-Adresse aus der Website der Fakultät, bei der Sie als Gastdozent eingetragen sind. Falls ich Sie irrtümlich belästigen sollte, tut es mir Leid, aber sind Sie der gleiche Neil LaHaye, der nun bereits mehrfach im Chatraum virus.virus.virus.com war? Wenn nicht, vergessen Sie diese Mail. Wenn ja, dann wissen Sie, wer Morgan ist. Was macht die Recherche?›
     
    ‹Betreff: AW: Kontakt
    Absender: [email protected]
    Empfänger: [email protected]
     
    Morgan - steht LF für Le Fay? - hast du mich für einen Hochstapler gehalten? Das oben ist übrigens meine private E-Mail-Adresse; die von der Uni ist nur für lästige Studenten und Mahnschreiben vom Dekan da, und für die Fanpost. Du siehst, ich vertraue dir in dieser Beziehung.
    Die Recherche: Nun, ich besuche gerade, wie du mir empfohlen hast, Miami und vertraue meinem Laptop die Begegnung mit einem Jugendfreund von Victor Sanchez an. Ich würde dir ja seinen Namen verraten, aber gestatte mir nun auch einen kleinen Test - wer könnte es sein?
    Falls du übrigens in Miami sein solltest, dann würde ich gerne wissen… nein, nicht, wo du wohnst - ich respektiere die Anonymität des Netzes - , sondern, was an der Stadt deiner Meinung nach besonders sehenswert ist.
    Neil›
     
    ‹Betreff: AW:AW: Kontakt
    Absender. [email protected]
    Empfänger: [email protected]
     
    Neil,
    mit LF hast du Recht - als ich mir seinerzeit mein E-Mail-Alias zulegte, hatte ich gerade meine arthurianische Phase.
    Jugendfreunde: Die, von denen ich gehört habe, waren Raul Menendez, Bob Sarduy und Lázaro Horta. Ich kenne allerdings keinen der drei, und soweit ich weiß, ist Menendez schon vor einer Weile gestorben.
    Sehenswürdigkeiten: Ich kann dir sagen, was ich gerne sehen würde. Wenn ich nach Miami käme, was so schnell nicht der Fall sein wird. Miracle Mile und Coconut Grove, schon, weil mir die Namen gefallen. Klingt sehr viel phantasieanregender als Warren. G. Harding Road oder Kate Rockwell Drive.
    Morgan›
     
    ‹Betreff. Sehenswertes
    Absender: [email protected]
    Empfänger: [email protected]
     
    Morgan,
    die Straße der Wunder zu besichtigen, hat sich schon wegen all der Flamingos gelohnt. Danke für den Tipp. Einer nach dem anderen aufgereiht und so herrlich kitschig bemalt, dass es die Yinkees in meinem gegenwärtigen Domizil grausen würde.
    Ich selbst kann mich nicht entscheiden, ob ich den Disco-Flamingo oder den Flamenco-Flamingo mit seinem schwarzen Hut

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