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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ursprünglich hatte sie den Text aufgeschnappt, ohne ein Wort zu verstehen.
    Sie summte den Refrain mit, den er sang, während der analytische Teil in ihr, der mittlerweile nie mehr ganz schlief, übersetzte. Ich liebe den Kaffee, den sie für mich braut… Ich liebe das Essen, das sie für mich kocht…
    »Dad«, sagte sie plötzlich, »wenn du dir ein anderes Leben aussuchen könntest, in dem du alles werden darfst, nur nicht das, was du in diesem bist - was wärst du am liebsten? Und wo wären wir dann heute?«
    »Musiker wäre ich geworden«, erwiderte er. »Kubanische Musiker haben die höchste Lebenserwartung auf der Welt, auch wenn ich das nie habe beweisen können, und die Mädels sind noch hinter ihnen her, wenn sie schon achtzig sind. Ja, ich glaube, ich wäre gerne Pio Leyva. Oder Puntillita. Ob mich deine Mutter dann allerdings je eines Blickes gewürdigt hätte…«
    Sie griff sich einen Topflappen, nahm die Pfanne und leerte den Reis in die Schale, die neben den Herdplatten bereitstand.
    »Nein, ganz im Ernst - hast du dich je gefragt, ob du besser etwas anderes mit deinem Leben hättest anfangen sollen?«
    Er drehte sich zu ihr um und schob ihr ein Stück von dem Fruchtfleisch der Mamey in den Mund. Den größten Teil hatte er bereits zerkleinert und in die Saftpresse befördert.
    »Nein. Wenn man das Glück hat, Beruf und Berufung in einem zu finden, dann gibt es keine Alternative mehr. Man muss tun, wozu man geboren ist, auch wenn es ab und zu auch Schattenseiten gibt. Überlege einmal: Deine Computer, die verdoppeln ihre Leistung alle achtzehn Monate. Wenn der menschliche Intellekt da nicht irgendwann völlig zurückstehen soll, dann können wir uns nicht mehr nur auf die Evolution verlassen, so wunderbar komplex sie auch sein mag. Aber was ich tue, das wird uns möglicherweise eines Tages zum Paradies auf Erden verhelfen, nichts Übernatürliches, sondern harte wissenschaftliche Kleinarbeit.«
    Der süße milchige Geschmack der Frucht verteilte sich in ihrem Gaumen, während er sie scharf ins Auge fasste und fragte:
    »Warum wolltest du das wissen? Ich dachte, du bist auch glücklich hier. Hättest du lieber ein anderes Leben, Bea?«
    Ich habe nicht die gleiche Wahlfreiheit wie du, wollte sie entgegnen und schluckte es hinunter. Die Lichtempfindlichkeit, die sie hier einsperrte, war nicht seine Schuld.
    »Ich weiß nicht«, gab sie zurück. »Ich glaube, dass das, was ich tue, wichtig ist, und wenn wir die Sache mit den Proteinchips richtig hinkriegen, dann ist das für mich wohl das Beste, was ich mir erhoffen kann, aber manchmal wünschte ich eben, ich könnte außerdem noch andere Sachen tun. Reisen zum Beispiel. Bunt angemalte Flamingos in Miami sehen oder ein Meer, das so warm ist, dass man barfuß darin laufen kann, und sei es auch nur in der Nacht.«
    »Bunt angemalte Flamingos in Miami?«, wiederholte ihr Vater langsam. »Daran kann ich mich nicht erinnern. Woher hast du das?«
    »Wahrscheinlich eine alte Folge von Miami Vice. Die wiederholen die Serie gerade«, entgegnete sie und hätte selbst nicht sagen können, warum sie sich so verplappert hatte. Es lag ihr auf der Zunge, ihrem Vater von Neil LaHaye zu erzählen und ihn zu fragen, ob man nicht doch ein Porträt veröffentlichen sollte. Sie war nicht gewohnt, Geheimnisse für sich zu behalten.
    Ihr Vater zuckte die Achseln, stellte den Reis in die Mikrowelle, um ihn warm zu halten, und machte sich daran, die Bananen anzubraten. Aber er sang nicht mehr.
    »Dad«, sagte Beatrice und verstand das jähe Schuldbewusstsein nicht, das sie plagte, »Warren hat sich bei mir darüber beschwert, dass du mit deinen Untersuchungen die Rechner zu lange blockierst, aber ich glaube, ich weiß jetzt, wie wir das Problem lösen können. Wenn wir das Netz als Rechner benutzen, bedeutet das zwar ein paar Verschlüsselungen mehr, aber du und Warren seid dann unabhängiger von den hiesigen Kapazitäten. Man müsste das Projekt natürlich richtig anlegen. Ich dachte mir, die Teilnehmer laden eine Art Bildschirmschoner herunter, der laufend feststellt, welche Kapazität ihres Rechners gerade frei ist. Diese freie Kapazität geben sie dann gegen eine Gebühr über zentrale Server an den Auftraggeber weiter. Wir brauchten aber Partner dazu. Stimmt es eigentlich, dass Mr. President einen heißen Draht zu Bill Gates hat?«
    »Du weißt doch, dass ich dieses Computerkauderwelsch nicht verstehe, Schatz. Aber wenn du meinst, dass es hilft…«
    »Ganz bestimmt.« Sie

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