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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Verhöhnung.
    »Sie wissen, wie ich zu dieser Anmaßung stehe.« Der Senator hatte sich wieder in der Gewalt. »Es war James T. Armstrong, belassen wir es dabei. Wie lauten die letzten Umfrageergebnisse zum Thema embryonale Stammzellen?«
    »Die Mehrheit ist immer noch ablehnend, Sir, aber die Zustimmungsrate steigt, seit Livion diese Werbespots im Fernsehen zeigt.«
    Von an der Parkinson’schen Krankheit leidenden populären Schauspielern bis zu niedlichen zuckerkranken Kindern zeigten die Livion-Spots schlichtweg jede erdenkliche Art von Sympathieträger, die ein Statement gemeinsam hatten: Durch die experimentelle Therapie mit Stammzellen aus abgetöteten Föten könnte ihnen geholfen werden. »Gib uns diese Chance« wurde von Fachleuten als nachweisbar effektivste Werbekampagne des Jahres gewertet.
    »Wenn die F&D keine neuen Direktiven bekommt, könnten wir es dann nicht riskieren…«
    »Aber Sir, das geht weit über die F&D hinaus. Wir würden für die Modifikation eines Gesetzentwurfs des Präsidenten eintreten müssen, den wir seinerzeit unterstützt haben. Außerdem, unsere Stammwähler sind und bleiben nun mal strenggläubige Christen, und daran ändert auch die Gib-uns-diese-Chance-Kampagne nichts.«
    »Ich weiß«, entgegnete der Senator und rieb sich das Kinn. »Ich weiß. Aber zum Teufel, die Chinesen sind kein Stück zimperlich, und die forschen und praktizieren mit Stammzellen, was das Zeug hält. Auf der anderen Seite der Welt geht es nicht um die Moral, sondern um die Macht. Die wollen die Überlegenheit des chinesischen Gesellschaftsmodells beweisen und haben bei der Menge von Abtreibungen wegen ihrer Ein-Kind-Politik weiß Gott Tonnen von Material zur Verfügung.«
    »Ich glaube kaum, dass wir mit diesem Argument bei den Fundamentalisten gewinnen können, Sir«, sagte Deirdre offen. »Man wird Ihnen vorhalten, diese gottlosen Taktiken kopieren zu wollen. Überdies belegen die Umfragen, dass unsere Wähler China nicht als feindliche Bedrohung einstufen. Feindbild Nr. 1 ist nach wie vor der islamische Fundamentalismus.«
    »Und genau das ist falsch! China ist ein Milliardenvolk auf dem Weg nach oben. Die können es sich inzwischen leisten, unseren Wissenschaftlern über eine Million Dollar als Handgeld neben ihrem Gehalt dafür zu bieten, dass sie nach China kommen.«
    »Das ist immer noch ein geldorientiertes Argument, Sir, kein emotionales, und Sie wissen, was bei den Wählern tiefer im Gedächtnis bleibt. Natürlich könnten wir mit Zukunftsängsten arbeiten und darauf hinweisen, dass wegen der völlig unterschiedlichen Rechtslage in China in zwei, drei Generationen die Elite der Bevölkerung nur noch aus genmanipulierten Übermenschen bestehen könnte und Amerika in sechzig bis siebzig Jahren wirtschaftlich und geistig im Schatten dieser Nation stehen wird, aber dann zerreißen uns unsere Gegner wegen Schürung ethnischer Ressentiments in der Luft. Vergessen Sie nicht, wir haben bisher erfolgreich daraufhinweisen können, dass Sie sich für Minderheiten einsetzen, einschließlich asiatischer Minderheiten. Wenn Sie Armstrong unterstützen wollen, Sir, dann müssen Sie einen positiven Ansatzpunkt wählen, keinen negativen.«
    Die Stirn des Senators furchte sich noch ein wenig tiefer. Das galt nicht ihr; schließlich bestand ihre Aufgabe darin, ihn davor zu bewahren, sich Blößen zu geben; sie musste jede nur mögliche Taktik seiner Gegner und die Argumente, mit denen diese ihm Wähler abspenstig machen könnten, vorausberechnen. Auf diese Weise hatte sie ihn erst kürzlich davor gerettet, in der riskanten Debatte um die neue nationale Gesundheitsdatenbank Schiffbruch zu erleiden.
    »Hm. Armstrong behauptet, dass man Schäden durch Giftgas durch gentechnische Manipulation vorbeugen oder sogar heilen könnte. So ganz habe ich das nicht verstanden. Aber denken Sie an die Golfkriege zurück: Sicherheit für unsere tapferen Jungs an der Front und so weiter. Sollte doch ein Riesenthema für den nächsten Wahlkampf sein! Außerdem, so wie mir Armstrong das erklärt hat, wären die Föten ohnehin nie lebensfähig und hätten nie die Chance, sich weiterzuentwickeln. Sie würden sonst als überzählig vernichtet werden. Als Stammzellen könnten sie mit ihrer vorgezeichneten kleinen kurzen Existenz Leben retten. Wie gesagt: Gib uns diese Chance! Meinen Sie, wir können damit die Pro-Life-Fraktion kassieren?«
    »Höchstens einen Teil«, sagte Deirdre zweifelnd. »Aber Sie könnten möglicherweise in der

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