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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Mitte noch ein breiteres Wählerspektrum gewinnen, wenn wir das Mann-des-Fortschritts-Image mit dieser Kampagne verbinden, Ihre empathische Kompetenz ins Blickfeld rücken und Sie dazu als Mann von Mitgefühl herausstellen. Parkinson ist immer ein aktuelles Thema: Wie soll man länger mit ansehen, wie Menschen chancenlos durch die Parkinson’sche Krankheit jahrelang gequält werden und so weiter. Aber da bleibt für uns ein Risiko: Bis jetzt hat Livion eine ziemlich gute Presse, aber bei der Pharmaindustrie kann man nie wissen. Ein einziger Skandal, und sie ist nicht mehr der Retter der Kranken, sondern ein profitgieriger gottloser Haufen, und dann, Senator, kommt der Untersuchungsausschuss und will wissen, wie hoch die Wahlkampfspenden von Mr. Armstrong denn sind. Die Wähler der Mitte kommen und gehen, aber die konservativ-christlichen sind treu. Man darf sie nicht zu sehr vor den Kopf stoßen, und ich fürchte sehr, genau das würden wir in diesem Fall tun.«
    »Wo kommen wir denn hin«, warf Cunningham ein und nahm unwillkürlich die Positur ein, die Deirdre bei sich seine »Fernsehdebattenhaltung« nannte, »wenn wir immer nur Angst vor der Zukunft haben. Dann treten wir auf der Stelle.«
    »Menschen, die Angst haben, wählen konservativ, nicht gemäßigt«, erwiderte sie sachlich, »und es gibt meiner Meinung nach keine Möglichkeit, diesen Ansatz als konservativ zu verkaufen.«
    Der Senator sah nicht glücklich aus, aber er bezahlte sie nicht dafür, dass sie ihm ideale Aussichten vorgaukelte, wenn keine bestanden, und das wusste er. »Ich werde darüber nachdenken«, sagte er, was für gewöhnlich Unterhaltungen dieser Art beendete, doch heute fügte er hinzu: »Sie haben doch… Verbindungen… zu gewissen Journalisten. Ist da denn etwas gegen Livion im Busch?«
    Er konnte nicht Neil meinen, sagte Deirdre sich und ließ sich nichts von ihren Gedanken anmerken. Er musste sich auf die ganz normalen Presseverbindungen beziehen, die sie wie jede Stabschefin, jeder Stabschef pflegte. Wenn sie nicht so wütend auf Neil wäre, würde sie noch nicht einmal in Erwägung ziehen, dass der Senator ihren Exmann gemeint haben könnte.
    »Nein, Sir, nicht, dass ich wüsste«, antwortete sie.
    »Ich frage nicht nur wegen dieser Stammzellengeschichte«, sagte Cunningham, seufzte und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Die Beiträge der Pharmaindustrie sind wichtig, sicher. Ich meine, innerhalb des letzten Jahrzehnts haben die ihre Spenden für unsere Partei um 823 Prozent erhöht. Und irgendwo müssen wir die zehntausend Dollar pro Woche für den Wahlkampf hernehmen. Aber so gut Armstrong als Spender auch sein mag, manchmal frage ich mich, wo er die Grenzen zieht. Ich wünschte mir, Livion würde sich auf die Entwicklung von Medikamenten beschränken. Er kommt mir etwas zu sicher wegen seiner Verbindungen zum Pentagon vor. Nur so ein Eindruck. Und Sie haben wirklich nichts gehört?«
    »Nein, Sir.« Nach einem gewissen Zögern setzte sie hinzu:
    »Es geht allerdings das Gerücht, dass er bei seinem letzten Segelurlaub mit Colonel West zusammengetroffen sein soll.«
    Das erwies sich als ein unerwarteter Schlag. Deirdre sah, wie der Senator erstarrte.
    »Und das sagen Sie mir erst jetzt?«
    »Weil ich es aus einer mehr als unsicheren Quelle habe, Sir«, erwiderte Deirdre. »Außerdem wusste ich nicht, dass Mr. Armstrong heute ein Thema wäre.«
    »Sagen Sie mir bitte, dass Ihr Exmann nicht als Nächstes über die West-Vernehmungen schreibt«, stieß der Senator hervor. Sie versuchte, es nicht als kränkend zu empfinden.
    »Meine mehr als unsichere Quelle«, entgegnete sie, »ist jene hysterische Exfreundin von Colonel West, deren Aussagen wir schon einmal aus den Nigeria-Anhörungen streichen mussten, weil sie nichts wert waren.«
    »Du meine Güte, ja, ich erinnere mich daran«, nickte Cunningham beruhigt und seufzte. Er gehörte zu dem Senatsausschuss, der Colonel Dodger West im letzten Jahr wegen der Ereignisse in Nigeria hatte vernehmen müssen. »Eine rundum unerfreuliche Angelegenheit. Aber wichtig, sie im Auge zu behalten.«
    Nach einer abschließenden Bemerkung des Senators kehrte Deirdre an ihren Arbeitsplatz zurück. Erst als sie sich setzte, bemerkte sie, dass ihre Fingerspitzen blutige Halbmonde in ihren Handflächen hinterlassen hatten.
     
    * * *
     
    Das flirrende Licht und die etwas zu hellen Farben, als sei die Welt frisch gewaschen worden, verwirrten ihn. Um zehn Uhr abends in Alaska einzutreffen und von

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