Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)
ausgelöscht worden, die er dort verbracht hatte.
Selbst Fledermausohr und die Gepardenmänner, die nie auf Pendragon gewesen waren, wirkten niedergeschlagen. Vielleicht hatten sie trotz allem gehofft, auf irgendwelche Spuren der dramatischen Ereignisse von damals zu stoßen, selbst wenn es nur ein ausgebranntes Wrack oder die Überreste der Satelliten gewesen wären, die einst die Basis bewacht hatten. Natürlich fand sich nichts dergleichen; die explodierende Sternenhülle hatte alles verbrannt, verdampft und ausgelöscht, was an die einstmalige Präsenz des Militärs hätte erinnern können. Der Planetoid selbst war vermutlich nicht mehr als ein großer Lavaklumpen weit jenseits seiner ehemaligen Umlaufbahn, den selbst empfindlichste Instrumente nicht mehr zu orten vermochten.
Anders als Joyous Gard, das zu einer Wallfahrtsstätte für Nomaden, Abenteurer und Ordensleute geworden war, erinnerte hier nichts mehr an den Untergang der Burgon-Streitmacht und den nach Tharsis größten Flottenstützpunkt der Föderation. Die einzige Genugtuung für Raymond Farr war eine Botschaft von Admiral Okura, dessen Sichelschiff wie ein riesiger dunkler Schatten der Hemera folgte. Die Nachricht bestand aus einem einzigen Satz: »Das beste Denkmal, das sich ein Feldherr setzen kann, ist eine Wüstenei, darin der Feind vergeblich nach einer Spur seiner Legionen sucht.«
Das Kompliment des Sikhaners war zweifellos ernst gemeint, nur kam es in der Hauptsache nicht ihm, sondern Miriam zu, die damals wie heute die schwerere Last zu tragen hatte – falls sie überhaupt noch am Leben war …
Farr träumte oft von ihr, aber es waren selten angenehme Träume, die an ihre gemeinsame Zeit erinnerten. Meistens war er allein und versuchte verzweifelt, ihr zu folgen oder sie vor einer Gefahr zu bewahren, einem tödlichen Sturz etwa, den er am Ende doch nicht verhindern konnte, ebenso wenig, wie es ihm jemals gelang, sie einzuholen. Manchmal stürzte er in seiner Hast selbst in die Tiefe und wurde vom Wind erfasst durch Schluchten und Felstäler getrieben, bevor er schweißgebadet und orientierungslos erwachte. Oft fand er danach keinen Schlaf mehr und wälzte sich von trüben Gedanken gepeinigt unruhig hin und her, bis er irgendwann gegen Morgen erschöpft eindämmerte.
Tagsüber zwang er sich hingegen zu Disziplin. Er trainierte bis zur Erschöpfung im Fitnessraum, kontrollierte die Bord- und Waffensysteme, inspizierte Lager- und Werkstatträume und organisierte Schulungen für die jüngeren Besatzungsmitglieder. Problemfällen wie Annie Lefevre widmete er sich in Einzelgesprächen. Er vermochte die junge Frau zwar nicht aufzuheitern, brachte sie aber wenigstens dazu, ihre Therapie- und Trainingseinheiten wieder wahrzunehmen und ihre Aufgaben ohne die Hilfe Dritter zu erledigen.
Ebenfalls Sorgen bereitete ihm der Gemütszustand von Pater Markus. Der Ordensmann wirkte seltsam in sich gekehrt und sprach nur noch das Nötigste. Da er im Gegensatz zu den anderen Besatzungsmitgliedern kaum Routineaufgaben zu erledigen hatte, verbrachte er die meiste Zeit in seiner Kabine und erschien nur zu den gemeinsamen Mahlzeiten, die er wortkarg und sichtlich appetitlos verzehrte und sich alsbald wieder zurückzog. Die Veränderung seines Wesens war derart auffällig, dass sich der Kommandant entschloss, ihm einen privaten Besuch abzustatten, von dem sich der Pater vielleicht weniger bedrängt fühlen würde als von einem offiziellen Gesprächstermin.
Also klopfte Farr eines Vormittags an die Kabinentür des Paters, der offenbar beschäftigt war, denn es dauerte geraume Zeit, bis er endlich öffnete.
Der junge Mann schien überrascht zu sein und eine Spur verlegen. Anscheinend hatte er sein Habit in größter Eile überzogen, denn es saß nicht korrekt und er war außerdem barfuß. Vielleicht hatte ihn Farr beim Duschen gestört. Der Kommandant entschuldigte sich und bot an, später wiederzukommen, aber der Pater schien sich inzwischen gefasst zu haben.
»Nein, ich bin gleich so weit, Commander«, erwiderte er höflich, »nur noch einen Moment bitte …« Damit verschwand er noch einmal kurz hinter der Tür, war aber sofort wieder zurück. Diesmal trug er Sandalen. Mit einer weiteren Entschuldigung, die Unordnung betreffend, gab der Ordensmann schließlich die Tür frei.
Abgesehen von einer Handvoll Bücher und einem aufgeschlagenen Notizblock auf dem Schreibtisch war in dem spartanisch eingerichteten Raum allerdings keinerlei Unordnung zu bemerken.
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